Yoga heilt – Āsana

Im ersten Teil der Artikelserie – Yoga heilt – die Yoga als Mittel zur Heilung behandelt, wurde neben der Vielfalt der Bedürfnisse an die Wirkweise einer Yogapraxis besonders die Bedeutung der persönlichen Beziehung zwischen Yogaübenden und Yogalehrenden hervorgehoben. Diese Beziehung nimmt im therapeutischen Prozess eine zentrale Rolle ein und muss bestimmten Anforderungen entsprechen:

Aufseiten der Yogalehrenden sind Zuwendung, Interesse und Kompetenz erforderlich, aufseiten der Yogaübenden Vertrauen und Sicherheit. Dadurch wird diese Beziehung zu weit mehr als einem bloßen Rahmen, in dem Heilung stattfindet.

Sie beeinflusst den Heilungsprozess immer wieder unmittelbar – und dies nicht nur in Situationen, in denen Rückschläge Mutlosigkeit hervorrufen, Zweifel das regelmäßige Üben infrage stellen oder Grenzen von Heilung sichtbar werden. Bei der Betrachtung der zur Verfügung stehenden Werkzeuge des Yoga im Einzelnen darf dieser Aspekt der Yogatherapie nicht außer Acht gelassen werden: Alles, was über die Wirkung von Āsana und in späteren Teilen der Serie über Prāṇāyāma, Meditation und Mantren diskutiert wird, ist ohne diesen Zusammenhang nicht sinnvoll zu verstehen.

Dies gilt allein schon deshalb, weil sämtliche Erfahrungen zur therapeutischen Anwendung von Yoga vor diesem Hintergrund entstanden sind und sich davon nicht trennen lassen.

Im Mittelpunkt des folgenden Artikels steht das wohl bekannteste Mittel des Yoga: die Körperübungen, die Āsana. Welche Rolle können sie im therapeutischen Prozess einnehmen? Welche Wirkungen entfalten sie? Und schließlich: Welche Erklärungsansätze erweisen sich für ein angemessenes Verständnis der Rolle von Āsana in der Yogatherapie als unbrauchbar oder hinderlich?

Mit diesen Fragen und weiteren Fragen setzt sich der Artikel auseinander. Einem weiteren Aspekt, der nicht nur für Āsana, sondern für alle Mittel des Yoga von großer Bedeutung ist, ist ein eigener Beitrag, betitelt mit Über das Üben, gewidmet.

Yoga heilt – Āsana

Im ersten Teil der Artikelserie – Yoga heilt – die Yoga als Mittel zur Heilung behandelt, wurde neben der Vielfalt der Bedürfnisse an die Wirkweise einer Yogapraxis besonders die Bedeutung der persönlichen Beziehung zwischen Yogaübenden und Yogalehrenden hervorgehoben. Diese Beziehung nimmt im therapeutischen Prozess eine zentrale Rolle ein und muss bestimmten Anforderungen entsprechen:

Aufseiten der Yogalehrenden sind Zuwendung, Interesse und Kompetenz erforderlich, aufseiten der Yogaübenden Vertrauen und Sicherheit. Dadurch wird diese Beziehung zu weit mehr als einem bloßen Rahmen, in dem Heilung stattfindet.

Sie beeinflusst den Heilungsprozess immer wieder unmittelbar – und dies nicht nur in Situationen, in denen Rückschläge Mutlosigkeit hervorrufen, Zweifel das regelmäßige Üben infrage stellen oder Grenzen von Heilung sichtbar werden. Bei der Betrachtung der zur Verfügung stehenden Werkzeuge des Yoga im Einzelnen darf dieser Aspekt der Yogatherapie nicht außer Acht gelassen werden: Alles, was über die Wirkung von Āsana und in späteren Teilen der Serie über Prāṇāyāma, Meditation und Mantren diskutiert wird, ist ohne diesen Zusammenhang nicht sinnvoll zu verstehen.

Dies gilt allein schon deshalb, weil sämtliche Erfahrungen zur therapeutischen Anwendung von Yoga vor diesem Hintergrund entstanden sind und sich davon nicht trennen lassen.

Im Mittelpunkt des folgenden Artikels steht das wohl bekannteste Mittel des Yoga: die Körperübungen, die Āsana. Welche Rolle können sie im therapeutischen Prozess einnehmen? Welche Wirkungen entfalten sie? Und schließlich: Welche Erklärungsansätze erweisen sich für ein angemessenes Verständnis der Rolle von Āsana in der Yogatherapie als unbrauchbar oder hinderlich?

Mit diesen Fragen und weiteren Fragen setzt sich der Artikel auseinander. Einem weiteren Aspekt, der nicht nur für Āsana, sondern für alle Mittel des Yoga von großer Bedeutung ist, ist ein eigener Beitrag, betitelt mit Über das Üben, gewidmet.

Yoga heilt – Āsana

Im ersten Teil der Artikelserie – Yoga heilt – die Yoga als Mittel zur Heilung behandelt, wurde neben der Vielfalt der Bedürfnisse an die Wirkweise einer Yogapraxis besonders die Bedeutung der persönlichen Beziehung zwischen Yogaübenden und Yogalehrenden hervorgehoben. Diese Beziehung nimmt im therapeutischen Prozess eine zentrale Rolle ein und muss bestimmten Anforderungen entsprechen:

Aufseiten der Yogalehrenden sind Zuwendung, Interesse und Kompetenz erforderlich, aufseiten der Yogaübenden Vertrauen und Sicherheit. Dadurch wird diese Beziehung zu weit mehr als einem bloßen Rahmen, in dem Heilung stattfindet.

Sie beeinflusst den Heilungsprozess immer wieder unmittelbar – und dies nicht nur in Situationen, in denen Rückschläge Mutlosigkeit hervorrufen, Zweifel das regelmäßige Üben infrage stellen oder Grenzen von Heilung sichtbar werden. Bei der Betrachtung der zur Verfügung stehenden Werkzeuge des Yoga im Einzelnen darf dieser Aspekt der Yogatherapie nicht außer Acht gelassen werden: Alles, was über die Wirkung von Āsana und in späteren Teilen der Serie über Prāṇāyāma, Meditation und Mantren diskutiert wird, ist ohne diesen Zusammenhang nicht sinnvoll zu verstehen.

Dies gilt allein schon deshalb, weil sämtliche Erfahrungen zur therapeutischen Anwendung von Yoga vor diesem Hintergrund entstanden sind und sich davon nicht trennen lassen.

Im Mittelpunkt des folgenden Artikels steht das wohl bekannteste Mittel des Yoga: die Körperübungen, die Āsana. Welche Rolle können sie im therapeutischen Prozess einnehmen? Welche Wirkungen entfalten sie? Und schließlich: Welche Erklärungsansätze erweisen sich für ein angemessenes Verständnis der Rolle von Āsana in der Yogatherapie als unbrauchbar oder hinderlich?

Mit diesen Fragen und weiteren Fragen setzt sich der Artikel auseinander. Einem weiteren Aspekt, der nicht nur für Āsana, sondern für alle Mittel des Yoga von großer Bedeutung ist, ist ein eigener Beitrag, betitelt mit Über das Üben, gewidmet.

Yoga als Gesamtkonzept

Yoga als umfassendes Konzept reicht weit über eine bloße Sammlung von Übungen und Anweisungen hinaus. Es bietet Deutungen zur menschlichen Psyche, reflektiert über die Beschaffenheit der Welt und stellt Fragen nach Ethik und Moral. Dennoch bleibt das selbstständige eigene Üben die Grundlage für alle dem Yoga zugeschriebenen Wirkungen.

Yoga unterscheidet dabei drei zentrale Bereiche: Körper, Atem und Geist. Auch wenn die besondere Qualität der Yogapraxis in der Verbindung dieser Ebenen liegt, werden sie traditionell klar voneinander abgegrenzt. Die Zuordnung der Übungstechniken ist entsprechend eindeutig: Die Praxis von Āsana konzentriert sich auf den Körper, Prāṇāyāma auf den Atem und Meditation auf den Geist.

Im Kontext einer therapeutischen Arbeit mit Yoga nehmen die Körperübungen, die Āsana, eine vielschichtige Rolle ein. Ihre Wirkungen im therapeutischen Prozess lassen sich in verschiedene Richtungen beschreiben:

- Verbesserung von Bewegungsmustern, Körperhaltung, Beweglichkeit und Körperwahrnehmung
- Harmonisierung zahlreicher Körperfunktionen
- Positiver Einfluss auf Schmerzgeschehen
- Reduzierung von Stresssymptomen
- Möglichkeit, Freude und Wohlbefinden am eigenen Leib zu erfahren
- Erfahrung innerer Ausgerichtetheit und des Bei-sich-Seins
- Entwicklung von Selbstkompetenz und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit

Zur Erklärung dieser Wirkungen hat der Yoga im Verlauf seiner Geschichte verschiedene Modelle hervorgebracht. Diese wurden jedoch nie systematisch zusammengefasst und spiegeln in vielerlei Hinsicht Vorstellungen wider, die auch das Menschenbild des abendländischen Mittelalters prägten. Aus heutiger Sicht der wissenschaftlichen Forschung lassen sich dabei drei vielversprechende Erklärungsansätze für die Wirkungen der Āsanapraxis identifizieren.

  1. Āsanapraxis wirkt förderlich auf das neuromuskuläre System und den muskulären Stoffwechsel. Das Bewegungssystem kann durch regelmäßige Praxis in positiver Weise aktiviert werden, was sowohl eine Ökonomisierung des Stoffwechsels als auch eine Verbesserung der Muskelkraft und die Entwicklung effektiver Bewegungsmuster umfasst. Die Bedeutung des Bewegungssystems als Wahrnehmungsorgan rückt im Rahmen solcher Erklärungsmodelle zunehmend in den Vordergrund.
  2. Āsanapraxis aktiviert und harmonisiert verschiedene Regulationssysteme des Körpers. Positive Effekte der Yogapraxis auf das Immunsystem und das vegetative Nervensystem sind bereits wissenschaftlich untersucht worden.
    »Bewegung tut gut!« – sofern sie angemessen gewählt wird – ist eine Aussage, die durch zahlreiche Nachweise gestützt wird. Der positive Einfluss von richtiger und regelmäßiger Bewegung auf verschiedene Regulationssysteme, wie die Blutdruckregulation oder die hormonell und vegetativ gesteuerte Stressregulation, gilt als unbestritten. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind weiterhin Gegenstand intensiver Forschung, wobei das heutige Wissen deutlich umfangreicher ist als noch vor zehn Jahren. Dennoch bleiben viele Zusammenhänge und Details aufgrund der Komplexität dieser Systeme bislang ungeklärt.
  3. Āsanapraxis beeinflusst die innere Befindlichkeit, psychische Strukturen und Muster eines Menschen. Die Erklärung solcher Wirkungen ist Gegenstand psychologischer und neuropsychologischer Forschung. In diesem Bereich liegen inzwischen gut dokumentierte Wirkungsnachweise vor, die insbesondere Aspekte wie Selbstwirksamkeit, Stimmungsaufhellung und Angstreduktion betreffen. Es wird weiterhin diskutiert, wie diese Effekte zustande kommen. Die Neurobiologie liefert hierzu mit ihrem rasanten Wissenszuwachs vielversprechende Ansätze. In zahlreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass regelmäßig praktizierte Körperübungen, wie sie in der Āsanapraxis stattfinden, die allgemeine Befindlichkeit positiv beeinflussen. Hemmende Angstimpulse lassen sich durch eine entsprechende Bewegungspraxis lösen. Besonders die selbst erreichten Erfolgserlebnisse stärken das Selbstbewusstsein und wirken sich positiv auf die Gesamtbefindlichkeit aus.

Āsana wirken als ganzes System

In zahlreichen zeitgenössischen Yoga-Büchern finden sich ausführliche Beschreibungen der angeblichen Wirkungen einzelner Āsana. Oft wird suggeriert, dass zwischen einer bestimmten Körperhaltung und einer spezifischen Wirkung eine direkte Verbindung besteht: Dieses Āsana bewirkt dies, ein anderes bewirkt das. Als Beispiele werden etwa die Dehnung des Nackenbereichs genannt, die »das Gehirn energetisieren« soll, oder eine asymmetrische Vorbeuge im Sitzen, die angeblich »die Eierstöcke aktivieren« kann. Ebenso wird der Drehsitz auf dem Stuhl als »Hilfe und Prävention bei Rückenproblemen« beschrieben.

Yoga heilt – Āsana

Ein solches Verständnis der Āsana-Wirkung lässt die Komplexität des menschlichen Organismus außer Acht. Es spiegelt eine Haltung wider, die die beeindruckende Fähigkeit des menschlichen Systems zur Selbstregulation und zur Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts unterschätzt. Der Körper kann nicht wie eine Maschine durch gezielte Eingriffe an einzelnen Stellen gesteuert werden.

Die Vorstellung, mit einer bestimmten Übung gezielt den Hormonhaushalt während der Wechseljahre beeinflussen zu können, steht im Widerspruch zu den komplexen physiologischen Prozessen, die diese Lebensphase kennzeichnen. Wissenschaftlich fundierte Studien konnten derartige Ursache-Wirkungs-Zuschreibungen bislang nicht bestätigen.

Die anhaltende Popularität solcher vereinfachenden Vorstellungen lässt sich durch das verbreitete Bedürfnis erklären, den eigenen Körper und das Leben insgesamt so sicher und kontrollierbar zu erleben wie eine technische Apparatur.

Die Tatsache, dass diese Sichtweise nachvollziehbar erscheint, macht sie jedoch nicht weniger naiv. Im Hinblick auf die Wirkung von Āsana sind dabei zwei zentrale Aspekte zu berücksichtigen:

  1. Durch das Einnehmen einer bestimmten Körperhaltung wird ein spezifischer Impuls in das gesamte System gegeben. Die individuelle Struktur, aktuelle Dysbalancen, Über- oder Unterfunktionen sowie Blockaden oder Schwächen bestimmen, wie das System auf diesen Impuls reagiert. Die jeweils individuelle Reaktion ist es, die als Wirkung des Übens wahrgenommen und beobachtet werden kann.
  2. Die Wirkung entfaltet sich immer im Kontext des gesamten Übungsablaufs. Unterschiedliche Āsana setzen unterschiedliche Impulse – eine stehende Vorbeuge wirkt anders als eine Rückbeuge wie vīrabhadrāsana. Dennoch ist das, was Praktizierende als Wirkung erfahren, stets das Ergebnis des gesamten Übungsprogramms. Diese Sichtweise wird durch Erfahrungen in der therapeutischen Yogapraxis ebenso bestätigt wie durch wissenschaftliche Untersuchungen.
Nachgewiesene Effekte der Āsanapraxis basieren auf der Untersuchung kompletter Übungsprogramme, nicht auf der Analyse einzelner Haltungen.

Dieses Prinzip gilt auch für andere therapeutische Methoden: In der Psychotherapie wird nicht die Wirkung einer einzelnen Intervention während einer bestimmten Sitzung untersucht, sondern das Therapieangebot als Ganzes bewertet. Therapeutinnen und Therapeuten wählen ihre Methoden und Strategien aus einem erlernten und erprobten System, doch die Wirksamkeit wird an den wahrnehmbaren Veränderungen der Patientinnen und Patienten gemessen – nicht an theoretischen Konzepten. Für Yoga und die Rolle der Yogalehrenden gilt nichts anderes.

In der Therapie mit Yoga sind nicht alle Āsana hilfreich

Yogalehrende wenden das Repertoire an Āsana im therapeutischen Kontext in einer Weise an, die dem Vorgehen von Fachkräften anderer therapeutischer Disziplinen vergleichbar ist. Ein Chirurg beispielsweise beherrscht spezifische diagnostische Methoden, hält seine Operationsinstrumente auf dem aktuellen Stand, erlernt Techniken, die auf den ausgewerteten Erfahrungen seiner Vorgängerinnen und Vorgänger beruhen, und entwickelt im Verlauf der praktischen Tätigkeit ein individuell geprägtes Vorgehen beim Diagnostizieren und Behandeln. Auch in der Akupunktur oder Psychotherapie werden verschiedene bewährte Methoden erlernt, die dann auf jeweils eigene Weise in den persönlichen Behandlungsstil einfließen.

Yoga heilt – Āsana

In der therapeutischen Arbeit mit Yoga verbindet sich das Erlernte mit praktischer Erfahrung. Methoden, die sich nicht bewähren oder sich als unwirksam erweisen, werden aussortiert.

Es zeigt sich, dass längst nicht alle Āsana, die im Yoga bekannt sind, in der therapeutischen Praxis eine Rolle spielen. Viele haben sich im Rahmen eines Heilungsprozesses als ungeeignet erwiesen.

Eine fundierte Kenntnis der Āsana ist deshalb unerlässlich. Jede Veränderung, Anpassung oder Verfeinerung im therapeutischen Prozess setzt voraus, dass die jeweiligen Besonderheiten der Āsana verstanden werden.

Yogatherapeutinnen und Yogatherapeuten sind sich bewusst, dass jedes Āsana, das in eine therapeutisch ausgerichtete Übungssequenz integriert wird, nur einen kleinen Teil eines umfassenden Angebots an das System eines Menschen darstellt. Wenn dieses Angebot angemessen gewählt ist, wird der gesetzte Impuls mit einer positiven Reaktion beantwortet.

Āsana in der Therapie

Einige der vielfältigen Wirkmechanismen von Āsana verdienen eine vertiefte Betrachtung. Zunächst ist die Wirkung einer regelmäßigen Übungspraxis hervorzuheben. Dieser Aspekt wird in seiner Bedeutung häufig unterschätzt und erhält daher eine gesonderte Darstellung (siehe auch den weiter oben bereits erwähnten Artikel Über das Üben).

Darüber hinaus lassen sich heute zahlreiche Aussagen zur Wirkweise der Āsanapraxis treffen, die auf gut untersuchten Zusammenhängen beruhen. Dazu zählen die positiven Effekte auf das Bewegungssystem, die Körperhaltung und Körperwahrnehmung, auf vegetative Steuerungsmechanismen sowie auf das Erleben von Selbstwirksamkeit.

Bewegung und Kräftigung

Die Körperübungen des Yoga bewegen – wie jede gute sportliche Betätigung – die Gelenke, regen die Knochen zum Umbau an und dehnen Muskeln, Bänder sowie deren bindegewebige Verbindungen. Besonders bei dynamischer Ausführung wird der Stoffwechsel der Muskulatur aktiviert. Bereits auf dieser Ebene kann Āsana einer Person mit Muskelverspannungen hilfreich sein. Viele chronische Rückenschmerzen entstehen aus einem Mangel an Bewegung. Ein Programm, das den Körper täglich für fünfzehn Minuten in sinnvoller Weise mobilisiert, kann bereits große Wirkung entfalten.

Der Fall von Mark D., einem achtzehnjährigen Gymnasiasten, der seit einem Jahr unter Schmerzen im unteren Rücken litt, soll dies verdeutlichen. Zunächst traten die Beschwerden nur nach längerem Sitzen von vier bis fünf Stunden auf. Im Verlauf des letzten Jahres, als die Abiturvorbereitung intensiver wurde, verkürzte sich die schmerzfreie Zeit auf maximal eine Stunde. Mark beschrieb sich selbst als wenig sportbegeistert, war jedoch sehr versiert am Computer. Ursprünglich begann er mit Yoga, um seine Konzentrationsfähigkeit zu verbessern. Bereits nach einer Woche regelmäßiger Āsanapraxis bemerkte er eine deutliche Besserung seiner Rückenbeschwerden. Die Yogalehrerin konnte ihn dabei unkompliziert unterstützen. Nicht nur die Konzentrationsschwierigkeiten, sondern auch die körperlichen Beschwerden besserten sich rasch und nachhaltig.

Yoga heilt – Āsana

Die schmerzlindernden Wirkungen von Yogapraxis lassen sich jedoch nicht auf einfache Erklärungen reduzieren. Auch im Bereich der Muskelkräftigung durch Yoga reicht es nicht aus, lediglich auf Muskeln und Bänder zu verweisen.

Entscheidend für einen kräftigen Rücken ist weniger die Muskelmasse als vielmehr das harmonische Zusammenspiel von Muskelfasern und Muskeln. Die Fähigkeit, dass viele parallel geschaltete Muskelfaserbündel sich in ihrer Aktion gegenseitig verstärken, ist für die Kraftentwicklung eines Muskels bedeutsamer als ein großes Muskelvolumen. Dies wird als intramuskuläre Koordination bezeichnet und beschreibt die Zusammenarbeit verschiedener Muskeln. Dazu wird ausführlich in den Artikeln »Yoga und Fitness Teil 1 und Teil 2« eingegangen. Überall dort, wo diese Koordination gestört ist, kann die Muskulatur den alltäglichen oder sportlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden.

Neben der neuromuskulären Organisation sind auch Mechanismen relevant, die an der Entstehung chronischer Schmerzen beteiligt sind. Diese Zusammenhänge sind komplex. Dennoch ist heute klar belegt, dass angemessene Bewegung ein sehr wirksames Mittel zur positiven Beeinflussung chronischer Schmerzprozesse darstellt.

Keine moderne Schmerztherapie verzichtet mehr auf bewegungsorientierte Übungsverfahren.

Körperhaltung und Körperwahrnehmung

Die Art und Weise, wie sich der Körper bewegt – sei es beim spontanen Losrennen, beim Springen oder beim Hinsetzen und Hinlegen – ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Selbst scheinbar spontane Bewegungen und Haltungen beruhen auf einer nahezu endlosen Abfolge von Bewegung, Bewegungswahrnehmung, Korrektur und der Wiederholung bewährter Abläufe. Erst durch vielfache Wiederholung entstehen die stabilen Muster, auf denen diese Bewegungen basieren.

Durch das Üben von Āsana können solche Muster verändert werden. Im therapeutischen Kontext gewinnt dies besondere Bedeutung, wenn sich gewohnte Muster als hinderlich oder krankmachend erweisen. Körperstruktur und Körperwahrnehmung lassen sich durch gezieltes Üben beeinflussen und verändern.

Die Auswirkungen auf das allgemeine Wohlbefinden sind nachvollziehbar. In Untersuchungen berichten Teilnehmende von einem positiveren Körpergefühl und einem größeren Vertrauen in die eigenen körperlichen Möglichkeiten.

Gefühle beeinflussen die Körperhaltung, und umgekehrt wirkt die Körperhaltung auf die Gefühlslage ein.

Dieser Zusammenhang erscheint vielen Menschen selbstverständlich und lässt sich auf verschiedenen Ebenen nachweisen. Dennoch ist Vorsicht vor mechanistischem Denken geboten: Das Weiten des Brustkorbs führt nicht zwangsläufig zu einer Öffnung des Herzens, und wer mehr Stabilität im Leben sucht, wird nicht zwangsläufig erfolgreicher, nur weil das Stehen auf einem Bein ohne Schwanken gelingt.

Von größerer Bedeutung ist die subtile Einflussnahme durch eine regelmäßige Āsanapraxis.

Gemeint sind hier der bewusste, ungewohnte Umgang mit dem eigenen Körper, die damit verbundene erhöhte Aufmerksamkeit sowie die bewusste Verbindung von Atem- und Körperbewegung beim Üben.

Diese Faktoren können innere Befindlichkeit, Bewegungsmuster, allgemeinen Muskeltonus und das Bewegungsspiel gleichermaßen positiv beeinflussen. Messbare Folgen sind eine verbesserte Stimmung, eine größere Bandbreite flexibler und ökonomischer Bewegungsreaktionen sowie eine bessere Haltung.

Regulation vegetativer Steuerungsmechanismen

Im Kontext der Atemübungen des Yoga – Prāṇāyāma – wird deutlich, dass der Atem ein zentrales und sehr wirkungsvolles Mittel ist, um auf vegetative Prozesse im Körper einzuwirken. Auch in der Āsanapraxis spielt dies eine wesentliche Rolle, da jede Körperbewegung mit einem bewusst geführten Atem verbunden wird.

Die vegetative Steuerung umfasst sowohl neurale – also über das Nervensystem vermittelte – als auch hormonelle Prozesse, die über Botenstoffe reguliert werden. Das Atemzentrum gilt heute als bedeutende Schaltstelle für vegetative Regulationen. Der Atemrhythmus steht in enger Wechselwirkung mit der Aktivität des Sympathikus und Parasympathikus, den beiden Hauptanteilen des vegetativen Nervensystems. So variiert etwa die Frequenz des Herzschlags synchron mit dem Atem: Während der Einatmung beschleunigt sich der Herzschlag, während der Ausatmung verlangsamt er sich.

Yoga heilt – Āsana

Das Üben von Āsana in Verbindung mit einem bewusst geführten und regulierten Atem hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Funktionsweise der vegetativen Steuerung. Viele positive Effekte, die im Zusammenhang mit einer regelmäßigen Āsanapraxis beobachtet werden, lassen sich wahrscheinlich auf dieses Zusammenspiel von Bewegung, Atem und vegetativer Regulation zurückführen.

Selbstwirksamkeit und Freude

Die Wirkung und Nachhaltigkeit einer Übung werden auch von ihrer Bewertung beeinflusst. Wird eine Praxis mit Freude ausgeführt, wird in einer Haltung Wohlbefinden empfunden oder löst eine Bewegung Freude aus, so kann die neue Bahnung, die dadurch in Gang gesetzt wird, besonders effektiv sein. Locker formuliert: Von sich selbst wird gelernt, was guttut. Darüber hinaus kann jedoch noch mehr gelernt werden.

Es stellt sich die Frage, weshalb nach einer halben Stunde Laufen um den See ein gutes Gefühl entsteht oder weshalb ein Gefühl des Wohlbefindens empfunden wird, wenn der Fitnessraum abgekämpft und verschwitzt verlassen wird.

Inzwischen ist bekannt, dass diese Erfahrungen nicht allein auf der bereits länger bekannten Freisetzung von Glückshormonen im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität beruhen. Vieles deutet darauf hin, dass durch Bewegung eine Vielzahl weiterer zentralnervöser Mechanismen ausgelöst wird, die wiederum Verbindungen zu den »Gefühlszentren« des Gehirns herstellen. In diesem Zusammenhang wird vom amerikanischen Neurophysiologen Damasio auf die Körperlichkeit von Emotionen verwiesen.

Körperliche Aktivität wirkt sich offensichtlich stets erhellend und nie deprimierend auf die psychische Befindlichkeit aus – es sei denn, es würde täglich aufs Neue an einer nicht zu bewältigenden Aufgabe gescheitert und damit eine intensiv frustrierende Erfahrung gemacht, der nichts anderes mehr entgegenzusetzen wäre.

Der Blick der Forscher auf den menschlichen Körper hat ein dynamisches, hochspezifisch organisiertes System eng miteinander verschalteter Regulationsmechanismen offenbart. Bereits das bislang Erkannte reicht aus, um die ehemals scharfe Trennung zwischen Körper und Psyche zu verwerfen.

Wird Yoga in einem therapeutischen Rahmen unterrichtet, kann diese Einheit bei jedem, jeder einzelnen Übenden erlebt werden; zugleich wird die Einzigartigkeit jedes Menschen in seiner körperlichen, emotionalen und sozialen Beschaffenheit mit großer Eindrücklichkeit wahrgenommen.

Heilmethode Yoga – ein Überblick

Praxis

Yoga als Heilmethode, als Therapie, ist im Wesentlichen ein Übungsverfahren. Im Mittelpunkt steht eine regelmäßig und selbstständig geübte Praxis. Diese Praxis wird von einer Lehrerin oder einem Lehrer mit entsprechender Kompetenz individuell konzipiert und unterrichtet. Das Üben findet zu Hause statt. In Abständen von Wochen oder Monaten wird der Übungsablauf anhand der gemachten Erfahrungen und erzielten Ergebnisse weiterentwickelt, bei Bedarf korrigiert und häufig über längere Zeiträume hinweg fortgeschrieben und begleitet. Die so erarbeitete Yogapraxis spricht Körper und Atem ebenso an wie das Fühlen, die Wahrnehmung und die Fähigkeit zur Ausrichtung. Vor allem verbindet sie diese verschiedenen Ebenen zu einem einheitlichen Üben und positiven Übungserleben.

Ansatz

Yoga als Heilmethode richtet sich gleichzeitig

- auf die Harmonisierung gestörter Körperfunktionen,
- auf die Art und Weise, wie diese Störungen erlebt werden und welche Haltung dazu eingenommen wird,
- auf die psychische und körperliche Befindlichkeit eines Menschen insgesamt.

Je nachdem, welches Anliegen von einer erkrankten Person in den Mittelpunkt gestellt wird, kann die angestrebte Wirkung einer Yogapraxis unterschiedliche Ebenen betreffen. Manchmal geht es darum, die Häufigkeit von Migräneanfällen zu reduzieren, Rückenschmerzen zu beheben oder Prüfungsängste zu vermindern. In anderen Fällen steht im Vordergrund, angesichts einer schweren Erkrankung wieder Hoffnung zu schöpfen, sich wohler in der eigenen Haut zu fühlen, selbstständig etwas Gutes für sich zu tun oder einfach ein paar Minuten Urlaub vom Alltag zu erleben. Die Vielfalt der Bedürfnisse, die mit dem Entschluss zu einer regelmäßigen Yogapraxis verbunden sind, ist groß. Dennoch gelingt es immer wieder, im Üben eine dieser Vielfalt angemessene Erfahrung und Wirkung zu erreichen.

Ziele

Langjährige Erfahrung mit Yoga als therapeutischem Verfahren und die zunehmende Zahl wissenschaftlicher Studien zeigen, was Yoga leisten kann:

- Vegetative Prozesse harmonisieren.
- Körpereigene Abwehrkräfte stärken.
- Neuromuskuläre Störungen im Bewegungsapparat beheben.
- Verspannungen lösen.
- Stress reduzieren.
- Psychisches Wohlbefinden fördern.

Darüber hinaus vermag Yoga die Haltung und den Umgang mit einer Krankheit, einer Einschränkung oder einem Problem zu beeinflussen. Yoga kann so:

- Mehr Geduld und Akzeptanz im Umgang mit sich selbst lehren.
- Raum für die Entwicklung neuer Lösungsstrategien schaffen.
- Ängste verringern.
- Die Möglichkeit geben, eigene Erwartungen zu überprüfen und zu verändern.

Wirkung

Eine angemessene Yogapraxis stützt sich auf die vorhandenen mentalen, emotionalen und körperlichen Möglichkeiten eines Menschen und entwickelt sie weiter. Yogatherapie ist ressourcenorientiert und die Wirkung von Yoga als Heilmethode speist sich aus den durch regelmäßiges Üben in Gang gesetzten inneren Prozessen der positiven Selbstregulierung auf körperlicher und psychischer Ebene.

Diese Prozesse zeigen sich auch bei alltäglichen Heilungsvorgängen: Unter günstigen Bedingungen besitzt das menschliche System die Fähigkeit, körperlichen Störungen und Ungleichgewichten angemessen zu begegnen und sie aufzulösen. Ebenso wird bei gelungener Konfliktbewältigung sichtbar, dass Menschen in der Lage sind, auch schwierige Situationen zu erkennen und Lösungen zu finden, die allen Beteiligten gerecht werden. Yoga wirkt in diesem Sinne: Die regelmäßige Übungspraxis, ihr Setting und die damit verbundenen Erfahrungen schaffen günstige Bedingungen für positive selbstregulative Prozesse:

- Der Stärkung des Vertrauens, aus eigener Kraft zum eigenen Wohlbefinden beitragen zu können.
- Der unterstützenden Beziehung zwischen Yogalehrerin oder Yogalehrer und der betroffenen Person.

Yoga als Weg

Der Umgang mit Yoga reicht von der Nutzung als körperorientiertes Workout oder Entspannungsverfahren über die Anwendung als Heilverfahren bis hin zu Yoga als eigenständigem spirituellem Weg. In der Praxis lassen sich diese Aspekte oft kaum voneinander trennen. Spiritualität im Yoga umfasst auch einen positiven Umgang mit dem Körper und das Bemühen um Gesundheit; in Heilungsprozessen können spirituelle Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Selbst ein sehr körperorientierter Umgang mit den Übungen kann Erfahrungen ermöglichen, die Menschen tief berühren.

Mittel

Yogatherapie ist auch deshalb erfolgreich, weil sie über eine Vielzahl unterschiedlicher Mittel verfügt:

- Zahlreiche Haltungen und Bewegungsabläufe (Āsana).
- Besondere Atemübungen (Prāṇāyāma).
- Übungen, die mit den mentalen Fähigkeiten arbeiten (Meditation).
- Übungen, bei denen Tönen, Silben und Worte im Mittelpunkt stehen (Mantra).
- Das klärende Gespräch.
- Anregungen für eine angemessene und gesunde Alltagsorganisation und Lebensordnung.

Kompatibilität

Yoga erweist sich als komplementär zu allen anderen therapeutischen Systemen: zu schulmedizinischen Verfahren ebenso wie zu alternativen Methoden wie den klassischen Naturheilverfahren, der Traditionellen Chinesischen Medizin, anthroposophischer Medizin oder dem Ayurveda, der – obwohl ebenfalls indischen Ursprungs – mit Yoga kaum Berührungspunkte hat. Yogapraxis lässt sich ohne Schwierigkeiten mit allen psychotherapeutischen Verfahren verbinden, kann diese unterstützen oder von ihnen unterstützt werden.

Aus der Praxis

Ein Beispiel für das Zusammenwirken der Aspekte in der Yogatherapie

Frau S., 47 Jahre alt, suchte nach Jahren chronischer Rückenschmerzen, die sich durch keine bisherige Maßnahme nachhaltig beeinflussen ließen, einen neuen Weg und wandte sich der Yogatherapie zu. In der medizinischen Fachsprache galt sie als »Schmerzpatientin«: Sie litt unter anhaltenden, in ihrer Intensität schwankenden Schmerzen im unteren Rücken, die bis in beide Beine ausstrahlten. Aufgrund ihrer Beschwerden war sie bereits frühzeitig verrentet. Schmerzmittel nahm sie nur zeitweise und in sachgerechter Dosierung ein, wobei sie als ehemalige Apothekenhelferin über entsprechende Kenntnisse verfügte. Tätigkeiten des Alltags, insbesondere Hausarbeit, waren für sie stets mit dem Gefühl verbunden, »gleich durchzubrechen«.

Mit der Zeit hatte sich bei Frau S. eine ausgeprägte Bewegungsangst entwickelt, da sie befürchtete, die Schmerzen könnten sich verstärken. Diese Angst führte dazu, dass sie sich immer weniger bewegte und viele Stunden des Tages liegend oder halb liegend verbrachte. Yoga war ihr aus der Presse bekannt, und ein Artikel über die therapeutische Anwendung von Yoga weckte schließlich ihr Interesse. Überzeugend war für sie der Hinweis, dass ein therapeutischer Yogaansatz individuell gestaltet und auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet sein müsse. Rückblickend äußerte sie, dass sie bei Versprechen schneller Erfolge skeptisch geblieben wäre.

Beim ersten Gespräch mit ihrer Yogalehrerin brachte Frau S. eine Mischung aus Skepsis und vorsichtiger Hoffnung zum Ausdruck. Schon eine kleine Linderung der Schmerzen oder eine geringere Einschränkung im Alltag erschien ihr als großer Gewinn. Ohne ihr Schaumstoffkissen, das sie stets bei sich trug, traute sie sich kaum, sich zu setzen oder hinzulegen. Bewegungen wie das Heben und Senken der Arme führte sie anfangs nur sehr vorsichtig aus.

Die ersten drei Yogastunden dienten vorwiegend dazu, herauszufinden, welche Āsana für sie überhaupt schmerzfrei möglich waren. Nachdem diese Basis geschaffen war, übte Frau S. regelmäßig zwanzig Minuten am Tag eine individuell abgestimmte Praxis, die sich über mehrere Monate hinweg kaum veränderte.

Yoga heilt – Āsana

Zwei Überlegungen standen am Anfang dieses therapeutischen Prozesses:

– Die Lehrerin nutzte gezielt den beweglichkeitsfördernden Aspekt der Āsanapraxis, da allein schon eine behutsame Mobilisierung bei einer bewegungsgehemmten Person wie Frau S. positive Effekte erwarten ließ.
– Durch das bewusste Einbeziehen des Atems in die Übungen wurde eine Wirkung auf das vegetative Nervensystem angestrebt, mit dem Ziel, innere Anspannung und ängstliche Gehemmtheit zu reduzieren.

Eine weitere Wirkung der Āsanapraxis beschrieb Frau S. selbst: Sie fühlte sich bereits dadurch besser, dass sie überhaupt wieder etwas tun konnte, das sie in Bewegung brachte. Sie bemerkte zudem Veränderungen in ihrem Gang und Stand, ohne ständig bewusst darauf achten zu müssen.

Damit erlebte sie eine Wirkung der Āsanapraxis, die ihre Lehrerin zunächst gar nicht beabsichtigt hatte: die Entwicklung einer effektiveren Körperhaltung im Alltag. Noch bedeutsamer war jedoch die Veränderung der Selbstwahrnehmung durch den Erfolg eigenen Tuns.

Untersuchungen weisen darauf hin, dass dieses Erleben – nicht mehr passiv den Beschwerden ausgeliefert zu sein, sondern selbst zur Heilung beitragen zu können – ein Schlüssel für die nachhaltige Wirksamkeit selbstständig zu übender Verfahren wie Yoga ist.

Im Verlauf der folgenden Monate wurden die Anforderungen der Übungen behutsam gesteigert. Nach dem Üben ihrer Yogapraxis erlebte Frau S. erstmals seit Jahren eine deutliche Schmerzreduktion. Die schmerzlindernde Wirkung der Praxis wurde spürbar. Mit dem schrittweisen Steigern der körperlichen Anforderungen – etwa durch mehr Wiederholungen oder anspruchsvollere Āsana – wurde die Aktivierung und Kräftigung ihres Bewegungssystems gefördert. Die Auswahl der nächsten Programmschritte erfolgte stets in enger Abstimmung mit Frau S., deren Rückmeldungen entscheidend waren, um Überforderungen zu vermeiden und die maximale Wirkung zu erzielen.

Der psychische Auftrieb, den diese Fortschritte Frau S. gaben, war deutlich zu erkennen. Sie begann, wieder für einige Stunden zu Bekannten oder in die Stadt zu gehen. Das kleine Kissen blieb zunächst ihr ständiger Begleiter, doch sie begann, dessen Bedeutung zu hinterfragen. Nach knapp zwei Jahren konnte Frau S. ihren Alltag schmerzfrei bewältigen und auch psychische wie körperliche Belastungen stabil meistern. Besonders beeindruckend war für sie das neu gewonnene Vertrauen in den eigenen Körper.

Der Tag, an dem sie vergaß, ihr Kissen zur Yogastunde mitzubringen, markierte für sie einen Wendepunkt und symbolisierte ihre wiedererlangte Freiheit. Der Zugewinn an Selbstwirksamkeit erweist sich häufig als der nachhaltigste Teil der Wirkung.

Auch wenn im Alltag unerwartete Rückschläge auftreten können, bleibt das Wissen um die erworbene Eigenkompetenz der Antrieb, neue Herausforderungen zu bewältigen. Zehn Jahre später übt Frau S. ihre Yogapraxis mit Souveränität und Kompetenz. Sie hilft ihr nicht nur, das Erreichte zu erhalten und ihre Möglichkeiten weiterzuentwickeln, sondern auch, die eigenen Grenzen realistisch einzuschätzen. Yoga hat ihr einen neuen Blick auf sich selbst eröffnet und sie nachhaltig verändert.

Ressourcenorientiert

Keine noch so fundierte Erläuterung, kein noch so inspirierender Kommentar vonseiten der Yogalehrenden kann die Bedeutung der eigenen Erfahrung der Übenden erreichen.

Das heilende Geschehen von Yoga entfaltet sich aus dem übenden Menschen selbst heraus und wird ausschließlich von ihm erfahren.

Dennoch spielt das »Setting« des Unterrichts eine wesentliche Rolle für das Üben. Es wirkt sich sowohl direkt auf das Übungsprogramm als auch auf die Art und Weise aus, wie geübt wird. Grundlage dafür bildet die Pädagogik des Yoga. Die Auswahl der Übungen durch Lehrende erfolgt so, dass die Übenden nicht mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten und Schwächen konfrontiert werden. Dafür ist ein Verständnis sowohl der Ressourcen als auch der Grenzen der Übenden erforderlich.

Ein Beispiel verdeutlicht diesen Ansatz: Frau M., 45 Jahre alt, leidet seit ihrer Pubertät an allergischen Reaktionen und entwickelte im Laufe von zwanzig Jahren ein chronisches Asthma, das immer wieder in akuten Anfällen eskaliert. Selbst bei geringer Belastung hat sie das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen, und beschreibt ihre Erfahrung mit den Worten: »Es kommt nichts rein«. Diese Einschränkung führte dazu, dass sie befürchtete, Yoga gar nicht ausüben zu können. Im Gespräch wirkt sie nervös und ängstlich. Sie erwähnt, dass sie als Kind gern gesungen hat, was ihr später durch die Atemnot nicht mehr möglich war, und dass Musikhören weiterhin zu ihren liebsten Freizeitbeschäftigungen zählt.

Die Yogalehrerin bittet Frau M. bei ersten Bewegungen, beim Senken der Arme leise zu summen. Schnell zeigt sich, dass diese Vorgehensweise Frau M. sehr angenehm ist. Deshalb wird das Summen in weiteren Übungen beibehalten. Frau M. fühlt sich dadurch entspannter und freier im Atmen. In der nächsten Stunde schlägt die Lehrerin vor, das Summen durch das Tönen einer Silbe zu ersetzen. Allmählich werden Teile der Āsanapraxis mit dem Rezitieren von Silben verbunden. Mit der Zeit gelingt es, Bewegung und Ton immer enger zu verknüpfen und die Qualität des Tönens zu verbessern. Der Atem reicht nun für ein gleichmäßiges, für Frau M.s Verhältnisse langes Tönen. Im Verlauf der nächsten Wochen stabilisieren sich die positiven Wirkungen dieser Praxis, die über Monate und Jahre anhalten.

Nicht immer gelingt es so unkompliziert wie in diesem Beispiel, vorhandene Ressourcen für die Āsanapraxis zu nutzen. Doch die Suche nach Potenzialen und die Offenheit für positive Erfahrungen bilden einen wesentlichen Grundstein für den Erfolg in der therapeutischen Arbeit mit Yoga.

Āsanaüben wirkt

Es lässt sich festhalten, dass Āsana ihre heilende Wirkung unter bestimmten Bedingungen entfalten. Entscheidend sind dabei folgende Aspekte:

– Āsana werden regelmäßig geübt.
– Verschiedene Āsana werden sinnvoll aufeinander abgestimmt und zu einer Übungsreihe verbunden.
– Die Auswahl und Ausführung der Āsana orientiert sich am Anliegen der jeweiligen Person.
– Die Praxis berücksichtigt sowohl die Ressourcen als auch die Grenzen der Übenden.
– Im Mittelpunkt steht die Qualität der Ausführung – etwa Atemfluss, Achtsamkeit und Schmerzfreiheit – und nicht die äußere Form.
– Die Entwicklung und das Angebot der Übungspraxis erfolgen in einem vertrauensvollen Rahmen.

Diese Grundsätze bilden die Basis für eine wirksame und individuell stimmige Āsanapraxis. ▼

Dieser Artikel ist ursprünglich
erschienen in

Yoga als Gesamtkonzept

Yoga als umfassendes Konzept reicht weit über eine bloße Sammlung von Übungen und Anweisungen hinaus. Es bietet Deutungen zur menschlichen Psyche, reflektiert über die Beschaffenheit der Welt und stellt Fragen nach Ethik und Moral. Dennoch bleibt das selbstständige eigene Üben die Grundlage für alle dem Yoga zugeschriebenen Wirkungen.

Yoga unterscheidet dabei drei zentrale Bereiche: Körper, Atem und Geist. Auch wenn die besondere Qualität der Yogapraxis in der Verbindung dieser Ebenen liegt, werden sie traditionell klar voneinander abgegrenzt. Die Zuordnung der Übungstechniken ist entsprechend eindeutig: Die Praxis von Āsana konzentriert sich auf den Körper, Prāṇāyāma auf den Atem und Meditation auf den Geist.

Im Kontext einer therapeutischen Arbeit mit Yoga nehmen die Körperübungen, die Āsana, eine vielschichtige Rolle ein. Ihre Wirkungen im therapeutischen Prozess lassen sich in verschiedene Richtungen beschreiben:

- Verbesserung von Bewegungsmustern, Körperhaltung, Beweglichkeit und Körperwahrnehmung
- Harmonisierung zahlreicher Körperfunktionen
- Positiver Einfluss auf Schmerzgeschehen
- Reduzierung von Stresssymptomen
- Möglichkeit, Freude und Wohlbefinden am eigenen Leib zu erfahren
- Erfahrung innerer Ausgerichtetheit und des Bei-sich-Seins
- Entwicklung von Selbstkompetenz und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit

Zur Erklärung dieser Wirkungen hat der Yoga im Verlauf seiner Geschichte verschiedene Modelle hervorgebracht. Diese wurden jedoch nie systematisch zusammengefasst und spiegeln in vielerlei Hinsicht Vorstellungen wider, die auch das Menschenbild des abendländischen Mittelalters prägten. Aus heutiger Sicht der wissenschaftlichen Forschung lassen sich dabei drei vielversprechende Erklärungsansätze für die Wirkungen der Āsanapraxis identifizieren.

  1. Āsanapraxis wirkt förderlich auf das neuromuskuläre System und den muskulären Stoffwechsel. Das Bewegungssystem kann durch regelmäßige Praxis in positiver Weise aktiviert werden, was sowohl eine Ökonomisierung des Stoffwechsels als auch eine Verbesserung der Muskelkraft und die Entwicklung effektiver Bewegungsmuster umfasst. Die Bedeutung des Bewegungssystems als Wahrnehmungsorgan rückt im Rahmen solcher Erklärungsmodelle zunehmend in den Vordergrund.
  2. Āsanapraxis aktiviert und harmonisiert verschiedene Regulationssysteme des Körpers. Positive Effekte der Yogapraxis auf das Immunsystem und das vegetative Nervensystem sind bereits wissenschaftlich untersucht worden.
    »Bewegung tut gut!« – sofern sie angemessen gewählt wird – ist eine Aussage, die durch zahlreiche Nachweise gestützt wird. Der positive Einfluss von richtiger und regelmäßiger Bewegung auf verschiedene Regulationssysteme, wie die Blutdruckregulation oder die hormonell und vegetativ gesteuerte Stressregulation, gilt als unbestritten. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind weiterhin Gegenstand intensiver Forschung, wobei das heutige Wissen deutlich umfangreicher ist als noch vor zehn Jahren. Dennoch bleiben viele Zusammenhänge und Details aufgrund der Komplexität dieser Systeme bislang ungeklärt.
  3. Āsanapraxis beeinflusst die innere Befindlichkeit, psychische Strukturen und Muster eines Menschen. Die Erklärung solcher Wirkungen ist Gegenstand psychologischer und neuropsychologischer Forschung. In diesem Bereich liegen inzwischen gut dokumentierte Wirkungsnachweise vor, die insbesondere Aspekte wie Selbstwirksamkeit, Stimmungsaufhellung und Angstreduktion betreffen. Es wird weiterhin diskutiert, wie diese Effekte zustande kommen. Die Neurobiologie liefert hierzu mit ihrem rasanten Wissenszuwachs vielversprechende Ansätze. In zahlreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass regelmäßig praktizierte Körperübungen, wie sie in der Āsanapraxis stattfinden, die allgemeine Befindlichkeit positiv beeinflussen. Hemmende Angstimpulse lassen sich durch eine entsprechende Bewegungspraxis lösen. Besonders die selbst erreichten Erfolgserlebnisse stärken das Selbstbewusstsein und wirken sich positiv auf die Gesamtbefindlichkeit aus.

Āsana wirken als ganzes System

In zahlreichen zeitgenössischen Yoga-Büchern finden sich ausführliche Beschreibungen der angeblichen Wirkungen einzelner Āsana. Oft wird suggeriert, dass zwischen einer bestimmten Körperhaltung und einer spezifischen Wirkung eine direkte Verbindung besteht: Dieses Āsana bewirkt dies, ein anderes bewirkt das. Als Beispiele werden etwa die Dehnung des Nackenbereichs genannt, die »das Gehirn energetisieren« soll, oder eine asymmetrische Vorbeuge im Sitzen, die angeblich »die Eierstöcke aktivieren« kann. Ebenso wird der Drehsitz auf dem Stuhl als »Hilfe und Prävention bei Rückenproblemen« beschrieben.

Yoga heilt – Āsana

Ein solches Verständnis der Āsana-Wirkung lässt die Komplexität des menschlichen Organismus außer Acht. Es spiegelt eine Haltung wider, die die beeindruckende Fähigkeit des menschlichen Systems zur Selbstregulation und zur Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts unterschätzt. Der Körper kann nicht wie eine Maschine durch gezielte Eingriffe an einzelnen Stellen gesteuert werden.

Die Vorstellung, mit einer bestimmten Übung gezielt den Hormonhaushalt während der Wechseljahre beeinflussen zu können, steht im Widerspruch zu den komplexen physiologischen Prozessen, die diese Lebensphase kennzeichnen. Wissenschaftlich fundierte Studien konnten derartige Ursache-Wirkungs-Zuschreibungen bislang nicht bestätigen.

Die anhaltende Popularität solcher vereinfachenden Vorstellungen lässt sich durch das verbreitete Bedürfnis erklären, den eigenen Körper und das Leben insgesamt so sicher und kontrollierbar zu erleben wie eine technische Apparatur.

Die Tatsache, dass diese Sichtweise nachvollziehbar erscheint, macht sie jedoch nicht weniger naiv. Im Hinblick auf die Wirkung von Āsana sind dabei zwei zentrale Aspekte zu berücksichtigen:

  1. Durch das Einnehmen einer bestimmten Körperhaltung wird ein spezifischer Impuls in das gesamte System gegeben. Die individuelle Struktur, aktuelle Dysbalancen, Über- oder Unterfunktionen sowie Blockaden oder Schwächen bestimmen, wie das System auf diesen Impuls reagiert. Die jeweils individuelle Reaktion ist es, die als Wirkung des Übens wahrgenommen und beobachtet werden kann.
  2. Die Wirkung entfaltet sich immer im Kontext des gesamten Übungsablaufs. Unterschiedliche Āsana setzen unterschiedliche Impulse – eine stehende Vorbeuge wirkt anders als eine Rückbeuge wie vīrabhadrāsana. Dennoch ist das, was Praktizierende als Wirkung erfahren, stets das Ergebnis des gesamten Übungsprogramms. Diese Sichtweise wird durch Erfahrungen in der therapeutischen Yogapraxis ebenso bestätigt wie durch wissenschaftliche Untersuchungen.
Nachgewiesene Effekte der Āsanapraxis basieren auf der Untersuchung kompletter Übungsprogramme, nicht auf der Analyse einzelner Haltungen.

Dieses Prinzip gilt auch für andere therapeutische Methoden: In der Psychotherapie wird nicht die Wirkung einer einzelnen Intervention während einer bestimmten Sitzung untersucht, sondern das Therapieangebot als Ganzes bewertet. Therapeutinnen und Therapeuten wählen ihre Methoden und Strategien aus einem erlernten und erprobten System, doch die Wirksamkeit wird an den wahrnehmbaren Veränderungen der Patientinnen und Patienten gemessen – nicht an theoretischen Konzepten. Für Yoga und die Rolle der Yogalehrenden gilt nichts anderes.

In der Therapie mit Yoga sind nicht alle Āsana hilfreich

Yogalehrende wenden das Repertoire an Āsana im therapeutischen Kontext in einer Weise an, die dem Vorgehen von Fachkräften anderer therapeutischer Disziplinen vergleichbar ist. Ein Chirurg beispielsweise beherrscht spezifische diagnostische Methoden, hält seine Operationsinstrumente auf dem aktuellen Stand, erlernt Techniken, die auf den ausgewerteten Erfahrungen seiner Vorgängerinnen und Vorgänger beruhen, und entwickelt im Verlauf der praktischen Tätigkeit ein individuell geprägtes Vorgehen beim Diagnostizieren und Behandeln. Auch in der Akupunktur oder Psychotherapie werden verschiedene bewährte Methoden erlernt, die dann auf jeweils eigene Weise in den persönlichen Behandlungsstil einfließen.

Yoga heilt – Āsana

In der therapeutischen Arbeit mit Yoga verbindet sich das Erlernte mit praktischer Erfahrung. Methoden, die sich nicht bewähren oder sich als unwirksam erweisen, werden aussortiert.

Es zeigt sich, dass längst nicht alle Āsana, die im Yoga bekannt sind, in der therapeutischen Praxis eine Rolle spielen. Viele haben sich im Rahmen eines Heilungsprozesses als ungeeignet erwiesen.

Eine fundierte Kenntnis der Āsana ist deshalb unerlässlich. Jede Veränderung, Anpassung oder Verfeinerung im therapeutischen Prozess setzt voraus, dass die jeweiligen Besonderheiten der Āsana verstanden werden.

Yogatherapeutinnen und Yogatherapeuten sind sich bewusst, dass jedes Āsana, das in eine therapeutisch ausgerichtete Übungssequenz integriert wird, nur einen kleinen Teil eines umfassenden Angebots an das System eines Menschen darstellt. Wenn dieses Angebot angemessen gewählt ist, wird der gesetzte Impuls mit einer positiven Reaktion beantwortet.

Āsana in der Therapie

Einige der vielfältigen Wirkmechanismen von Āsana verdienen eine vertiefte Betrachtung. Zunächst ist die Wirkung einer regelmäßigen Übungspraxis hervorzuheben. Dieser Aspekt wird in seiner Bedeutung häufig unterschätzt und erhält daher eine gesonderte Darstellung (siehe auch den weiter oben bereits erwähnten Artikel Über das Üben).

Darüber hinaus lassen sich heute zahlreiche Aussagen zur Wirkweise der Āsanapraxis treffen, die auf gut untersuchten Zusammenhängen beruhen. Dazu zählen die positiven Effekte auf das Bewegungssystem, die Körperhaltung und Körperwahrnehmung, auf vegetative Steuerungsmechanismen sowie auf das Erleben von Selbstwirksamkeit.

Bewegung und Kräftigung

Die Körperübungen des Yoga bewegen – wie jede gute sportliche Betätigung – die Gelenke, regen die Knochen zum Umbau an und dehnen Muskeln, Bänder sowie deren bindegewebige Verbindungen. Besonders bei dynamischer Ausführung wird der Stoffwechsel der Muskulatur aktiviert. Bereits auf dieser Ebene kann Āsana einer Person mit Muskelverspannungen hilfreich sein. Viele chronische Rückenschmerzen entstehen aus einem Mangel an Bewegung. Ein Programm, das den Körper täglich für fünfzehn Minuten in sinnvoller Weise mobilisiert, kann bereits große Wirkung entfalten.

Der Fall von Mark D., einem achtzehnjährigen Gymnasiasten, der seit einem Jahr unter Schmerzen im unteren Rücken litt, soll dies verdeutlichen. Zunächst traten die Beschwerden nur nach längerem Sitzen von vier bis fünf Stunden auf. Im Verlauf des letzten Jahres, als die Abiturvorbereitung intensiver wurde, verkürzte sich die schmerzfreie Zeit auf maximal eine Stunde. Mark beschrieb sich selbst als wenig sportbegeistert, war jedoch sehr versiert am Computer. Ursprünglich begann er mit Yoga, um seine Konzentrationsfähigkeit zu verbessern. Bereits nach einer Woche regelmäßiger Āsanapraxis bemerkte er eine deutliche Besserung seiner Rückenbeschwerden. Die Yogalehrerin konnte ihn dabei unkompliziert unterstützen. Nicht nur die Konzentrationsschwierigkeiten, sondern auch die körperlichen Beschwerden besserten sich rasch und nachhaltig.

Yoga heilt – Āsana

Die schmerzlindernden Wirkungen von Yogapraxis lassen sich jedoch nicht auf einfache Erklärungen reduzieren. Auch im Bereich der Muskelkräftigung durch Yoga reicht es nicht aus, lediglich auf Muskeln und Bänder zu verweisen.

Entscheidend für einen kräftigen Rücken ist weniger die Muskelmasse als vielmehr das harmonische Zusammenspiel von Muskelfasern und Muskeln. Die Fähigkeit, dass viele parallel geschaltete Muskelfaserbündel sich in ihrer Aktion gegenseitig verstärken, ist für die Kraftentwicklung eines Muskels bedeutsamer als ein großes Muskelvolumen. Dies wird als intramuskuläre Koordination bezeichnet und beschreibt die Zusammenarbeit verschiedener Muskeln. Dazu wird ausführlich in den Artikeln »Yoga und Fitness Teil 1 und Teil 2« eingegangen. Überall dort, wo diese Koordination gestört ist, kann die Muskulatur den alltäglichen oder sportlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden.

Neben der neuromuskulären Organisation sind auch Mechanismen relevant, die an der Entstehung chronischer Schmerzen beteiligt sind. Diese Zusammenhänge sind komplex. Dennoch ist heute klar belegt, dass angemessene Bewegung ein sehr wirksames Mittel zur positiven Beeinflussung chronischer Schmerzprozesse darstellt.

Keine moderne Schmerztherapie verzichtet mehr auf bewegungsorientierte Übungsverfahren.

Körperhaltung und Körperwahrnehmung

Die Art und Weise, wie sich der Körper bewegt – sei es beim spontanen Losrennen, beim Springen oder beim Hinsetzen und Hinlegen – ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Selbst scheinbar spontane Bewegungen und Haltungen beruhen auf einer nahezu endlosen Abfolge von Bewegung, Bewegungswahrnehmung, Korrektur und der Wiederholung bewährter Abläufe. Erst durch vielfache Wiederholung entstehen die stabilen Muster, auf denen diese Bewegungen basieren.

Durch das Üben von Āsana können solche Muster verändert werden. Im therapeutischen Kontext gewinnt dies besondere Bedeutung, wenn sich gewohnte Muster als hinderlich oder krankmachend erweisen. Körperstruktur und Körperwahrnehmung lassen sich durch gezieltes Üben beeinflussen und verändern.

Die Auswirkungen auf das allgemeine Wohlbefinden sind nachvollziehbar. In Untersuchungen berichten Teilnehmende von einem positiveren Körpergefühl und einem größeren Vertrauen in die eigenen körperlichen Möglichkeiten.

Gefühle beeinflussen die Körperhaltung, und umgekehrt wirkt die Körperhaltung auf die Gefühlslage ein.

Dieser Zusammenhang erscheint vielen Menschen selbstverständlich und lässt sich auf verschiedenen Ebenen nachweisen. Dennoch ist Vorsicht vor mechanistischem Denken geboten: Das Weiten des Brustkorbs führt nicht zwangsläufig zu einer Öffnung des Herzens, und wer mehr Stabilität im Leben sucht, wird nicht zwangsläufig erfolgreicher, nur weil das Stehen auf einem Bein ohne Schwanken gelingt.

Von größerer Bedeutung ist die subtile Einflussnahme durch eine regelmäßige Āsanapraxis.

Gemeint sind hier der bewusste, ungewohnte Umgang mit dem eigenen Körper, die damit verbundene erhöhte Aufmerksamkeit sowie die bewusste Verbindung von Atem- und Körperbewegung beim Üben.

Diese Faktoren können innere Befindlichkeit, Bewegungsmuster, allgemeinen Muskeltonus und das Bewegungsspiel gleichermaßen positiv beeinflussen. Messbare Folgen sind eine verbesserte Stimmung, eine größere Bandbreite flexibler und ökonomischer Bewegungsreaktionen sowie eine bessere Haltung.

Regulation vegetativer Steuerungsmechanismen

Im Kontext der Atemübungen des Yoga – Prāṇāyāma – wird deutlich, dass der Atem ein zentrales und sehr wirkungsvolles Mittel ist, um auf vegetative Prozesse im Körper einzuwirken. Auch in der Āsanapraxis spielt dies eine wesentliche Rolle, da jede Körperbewegung mit einem bewusst geführten Atem verbunden wird.

Die vegetative Steuerung umfasst sowohl neurale – also über das Nervensystem vermittelte – als auch hormonelle Prozesse, die über Botenstoffe reguliert werden. Das Atemzentrum gilt heute als bedeutende Schaltstelle für vegetative Regulationen. Der Atemrhythmus steht in enger Wechselwirkung mit der Aktivität des Sympathikus und Parasympathikus, den beiden Hauptanteilen des vegetativen Nervensystems. So variiert etwa die Frequenz des Herzschlags synchron mit dem Atem: Während der Einatmung beschleunigt sich der Herzschlag, während der Ausatmung verlangsamt er sich.

Yoga heilt – Āsana

Das Üben von Āsana in Verbindung mit einem bewusst geführten und regulierten Atem hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Funktionsweise der vegetativen Steuerung. Viele positive Effekte, die im Zusammenhang mit einer regelmäßigen Āsanapraxis beobachtet werden, lassen sich wahrscheinlich auf dieses Zusammenspiel von Bewegung, Atem und vegetativer Regulation zurückführen.

Selbstwirksamkeit und Freude

Die Wirkung und Nachhaltigkeit einer Übung werden auch von ihrer Bewertung beeinflusst. Wird eine Praxis mit Freude ausgeführt, wird in einer Haltung Wohlbefinden empfunden oder löst eine Bewegung Freude aus, so kann die neue Bahnung, die dadurch in Gang gesetzt wird, besonders effektiv sein. Locker formuliert: Von sich selbst wird gelernt, was guttut. Darüber hinaus kann jedoch noch mehr gelernt werden.

Es stellt sich die Frage, weshalb nach einer halben Stunde Laufen um den See ein gutes Gefühl entsteht oder weshalb ein Gefühl des Wohlbefindens empfunden wird, wenn der Fitnessraum abgekämpft und verschwitzt verlassen wird.

Inzwischen ist bekannt, dass diese Erfahrungen nicht allein auf der bereits länger bekannten Freisetzung von Glückshormonen im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität beruhen. Vieles deutet darauf hin, dass durch Bewegung eine Vielzahl weiterer zentralnervöser Mechanismen ausgelöst wird, die wiederum Verbindungen zu den »Gefühlszentren« des Gehirns herstellen. In diesem Zusammenhang wird vom amerikanischen Neurophysiologen Damasio auf die Körperlichkeit von Emotionen verwiesen.

Körperliche Aktivität wirkt sich offensichtlich stets erhellend und nie deprimierend auf die psychische Befindlichkeit aus – es sei denn, es würde täglich aufs Neue an einer nicht zu bewältigenden Aufgabe gescheitert und damit eine intensiv frustrierende Erfahrung gemacht, der nichts anderes mehr entgegenzusetzen wäre.

Der Blick der Forscher auf den menschlichen Körper hat ein dynamisches, hochspezifisch organisiertes System eng miteinander verschalteter Regulationsmechanismen offenbart. Bereits das bislang Erkannte reicht aus, um die ehemals scharfe Trennung zwischen Körper und Psyche zu verwerfen.

Wird Yoga in einem therapeutischen Rahmen unterrichtet, kann diese Einheit bei jedem, jeder einzelnen Übenden erlebt werden; zugleich wird die Einzigartigkeit jedes Menschen in seiner körperlichen, emotionalen und sozialen Beschaffenheit mit großer Eindrücklichkeit wahrgenommen.

Heilmethode Yoga – ein Überblick

Praxis

Yoga als Heilmethode, als Therapie, ist im Wesentlichen ein Übungsverfahren. Im Mittelpunkt steht eine regelmäßig und selbstständig geübte Praxis. Diese Praxis wird von einer Lehrerin oder einem Lehrer mit entsprechender Kompetenz individuell konzipiert und unterrichtet. Das Üben findet zu Hause statt. In Abständen von Wochen oder Monaten wird der Übungsablauf anhand der gemachten Erfahrungen und erzielten Ergebnisse weiterentwickelt, bei Bedarf korrigiert und häufig über längere Zeiträume hinweg fortgeschrieben und begleitet. Die so erarbeitete Yogapraxis spricht Körper und Atem ebenso an wie das Fühlen, die Wahrnehmung und die Fähigkeit zur Ausrichtung. Vor allem verbindet sie diese verschiedenen Ebenen zu einem einheitlichen Üben und positiven Übungserleben.

Ansatz

Yoga als Heilmethode richtet sich gleichzeitig

- auf die Harmonisierung gestörter Körperfunktionen,
- auf die Art und Weise, wie diese Störungen erlebt werden und welche Haltung dazu eingenommen wird,
- auf die psychische und körperliche Befindlichkeit eines Menschen insgesamt.

Je nachdem, welches Anliegen von einer erkrankten Person in den Mittelpunkt gestellt wird, kann die angestrebte Wirkung einer Yogapraxis unterschiedliche Ebenen betreffen. Manchmal geht es darum, die Häufigkeit von Migräneanfällen zu reduzieren, Rückenschmerzen zu beheben oder Prüfungsängste zu vermindern. In anderen Fällen steht im Vordergrund, angesichts einer schweren Erkrankung wieder Hoffnung zu schöpfen, sich wohler in der eigenen Haut zu fühlen, selbstständig etwas Gutes für sich zu tun oder einfach ein paar Minuten Urlaub vom Alltag zu erleben. Die Vielfalt der Bedürfnisse, die mit dem Entschluss zu einer regelmäßigen Yogapraxis verbunden sind, ist groß. Dennoch gelingt es immer wieder, im Üben eine dieser Vielfalt angemessene Erfahrung und Wirkung zu erreichen.

Ziele

Langjährige Erfahrung mit Yoga als therapeutischem Verfahren und die zunehmende Zahl wissenschaftlicher Studien zeigen, was Yoga leisten kann:

- Vegetative Prozesse harmonisieren.
- Körpereigene Abwehrkräfte stärken.
- Neuromuskuläre Störungen im Bewegungsapparat beheben.
- Verspannungen lösen.
- Stress reduzieren.
- Psychisches Wohlbefinden fördern.

Darüber hinaus vermag Yoga die Haltung und den Umgang mit einer Krankheit, einer Einschränkung oder einem Problem zu beeinflussen. Yoga kann so:

- Mehr Geduld und Akzeptanz im Umgang mit sich selbst lehren.
- Raum für die Entwicklung neuer Lösungsstrategien schaffen.
- Ängste verringern.
- Die Möglichkeit geben, eigene Erwartungen zu überprüfen und zu verändern.

Wirkung

Eine angemessene Yogapraxis stützt sich auf die vorhandenen mentalen, emotionalen und körperlichen Möglichkeiten eines Menschen und entwickelt sie weiter. Yogatherapie ist ressourcenorientiert und die Wirkung von Yoga als Heilmethode speist sich aus den durch regelmäßiges Üben in Gang gesetzten inneren Prozessen der positiven Selbstregulierung auf körperlicher und psychischer Ebene.

Diese Prozesse zeigen sich auch bei alltäglichen Heilungsvorgängen: Unter günstigen Bedingungen besitzt das menschliche System die Fähigkeit, körperlichen Störungen und Ungleichgewichten angemessen zu begegnen und sie aufzulösen. Ebenso wird bei gelungener Konfliktbewältigung sichtbar, dass Menschen in der Lage sind, auch schwierige Situationen zu erkennen und Lösungen zu finden, die allen Beteiligten gerecht werden. Yoga wirkt in diesem Sinne: Die regelmäßige Übungspraxis, ihr Setting und die damit verbundenen Erfahrungen schaffen günstige Bedingungen für positive selbstregulative Prozesse:

- Der Stärkung des Vertrauens, aus eigener Kraft zum eigenen Wohlbefinden beitragen zu können.
- Der unterstützenden Beziehung zwischen Yogalehrerin oder Yogalehrer und der betroffenen Person.

Yoga als Weg

Der Umgang mit Yoga reicht von der Nutzung als körperorientiertes Workout oder Entspannungsverfahren über die Anwendung als Heilverfahren bis hin zu Yoga als eigenständigem spirituellem Weg. In der Praxis lassen sich diese Aspekte oft kaum voneinander trennen. Spiritualität im Yoga umfasst auch einen positiven Umgang mit dem Körper und das Bemühen um Gesundheit; in Heilungsprozessen können spirituelle Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Selbst ein sehr körperorientierter Umgang mit den Übungen kann Erfahrungen ermöglichen, die Menschen tief berühren.

Mittel

Yogatherapie ist auch deshalb erfolgreich, weil sie über eine Vielzahl unterschiedlicher Mittel verfügt:

- Zahlreiche Haltungen und Bewegungsabläufe (Āsana).
- Besondere Atemübungen (Prāṇāyāma).
- Übungen, die mit den mentalen Fähigkeiten arbeiten (Meditation).
- Übungen, bei denen Tönen, Silben und Worte im Mittelpunkt stehen (Mantra).
- Das klärende Gespräch.
- Anregungen für eine angemessene und gesunde Alltagsorganisation und Lebensordnung.

Kompatibilität

Yoga erweist sich als komplementär zu allen anderen therapeutischen Systemen: zu schulmedizinischen Verfahren ebenso wie zu alternativen Methoden wie den klassischen Naturheilverfahren, der Traditionellen Chinesischen Medizin, anthroposophischer Medizin oder dem Ayurveda, der – obwohl ebenfalls indischen Ursprungs – mit Yoga kaum Berührungspunkte hat. Yogapraxis lässt sich ohne Schwierigkeiten mit allen psychotherapeutischen Verfahren verbinden, kann diese unterstützen oder von ihnen unterstützt werden.

Aus der Praxis

Ein Beispiel für das Zusammenwirken der Aspekte in der Yogatherapie

Frau S., 47 Jahre alt, suchte nach Jahren chronischer Rückenschmerzen, die sich durch keine bisherige Maßnahme nachhaltig beeinflussen ließen, einen neuen Weg und wandte sich der Yogatherapie zu. In der medizinischen Fachsprache galt sie als »Schmerzpatientin«: Sie litt unter anhaltenden, in ihrer Intensität schwankenden Schmerzen im unteren Rücken, die bis in beide Beine ausstrahlten. Aufgrund ihrer Beschwerden war sie bereits frühzeitig verrentet. Schmerzmittel nahm sie nur zeitweise und in sachgerechter Dosierung ein, wobei sie als ehemalige Apothekenhelferin über entsprechende Kenntnisse verfügte. Tätigkeiten des Alltags, insbesondere Hausarbeit, waren für sie stets mit dem Gefühl verbunden, »gleich durchzubrechen«.

Mit der Zeit hatte sich bei Frau S. eine ausgeprägte Bewegungsangst entwickelt, da sie befürchtete, die Schmerzen könnten sich verstärken. Diese Angst führte dazu, dass sie sich immer weniger bewegte und viele Stunden des Tages liegend oder halb liegend verbrachte. Yoga war ihr aus der Presse bekannt, und ein Artikel über die therapeutische Anwendung von Yoga weckte schließlich ihr Interesse. Überzeugend war für sie der Hinweis, dass ein therapeutischer Yogaansatz individuell gestaltet und auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet sein müsse. Rückblickend äußerte sie, dass sie bei Versprechen schneller Erfolge skeptisch geblieben wäre.

Beim ersten Gespräch mit ihrer Yogalehrerin brachte Frau S. eine Mischung aus Skepsis und vorsichtiger Hoffnung zum Ausdruck. Schon eine kleine Linderung der Schmerzen oder eine geringere Einschränkung im Alltag erschien ihr als großer Gewinn. Ohne ihr Schaumstoffkissen, das sie stets bei sich trug, traute sie sich kaum, sich zu setzen oder hinzulegen. Bewegungen wie das Heben und Senken der Arme führte sie anfangs nur sehr vorsichtig aus.

Die ersten drei Yogastunden dienten vorwiegend dazu, herauszufinden, welche Āsana für sie überhaupt schmerzfrei möglich waren. Nachdem diese Basis geschaffen war, übte Frau S. regelmäßig zwanzig Minuten am Tag eine individuell abgestimmte Praxis, die sich über mehrere Monate hinweg kaum veränderte.

Yoga heilt – Āsana

Zwei Überlegungen standen am Anfang dieses therapeutischen Prozesses:

– Die Lehrerin nutzte gezielt den beweglichkeitsfördernden Aspekt der Āsanapraxis, da allein schon eine behutsame Mobilisierung bei einer bewegungsgehemmten Person wie Frau S. positive Effekte erwarten ließ.
– Durch das bewusste Einbeziehen des Atems in die Übungen wurde eine Wirkung auf das vegetative Nervensystem angestrebt, mit dem Ziel, innere Anspannung und ängstliche Gehemmtheit zu reduzieren.

Eine weitere Wirkung der Āsanapraxis beschrieb Frau S. selbst: Sie fühlte sich bereits dadurch besser, dass sie überhaupt wieder etwas tun konnte, das sie in Bewegung brachte. Sie bemerkte zudem Veränderungen in ihrem Gang und Stand, ohne ständig bewusst darauf achten zu müssen.

Damit erlebte sie eine Wirkung der Āsanapraxis, die ihre Lehrerin zunächst gar nicht beabsichtigt hatte: die Entwicklung einer effektiveren Körperhaltung im Alltag. Noch bedeutsamer war jedoch die Veränderung der Selbstwahrnehmung durch den Erfolg eigenen Tuns.

Untersuchungen weisen darauf hin, dass dieses Erleben – nicht mehr passiv den Beschwerden ausgeliefert zu sein, sondern selbst zur Heilung beitragen zu können – ein Schlüssel für die nachhaltige Wirksamkeit selbstständig zu übender Verfahren wie Yoga ist.

Im Verlauf der folgenden Monate wurden die Anforderungen der Übungen behutsam gesteigert. Nach dem Üben ihrer Yogapraxis erlebte Frau S. erstmals seit Jahren eine deutliche Schmerzreduktion. Die schmerzlindernde Wirkung der Praxis wurde spürbar. Mit dem schrittweisen Steigern der körperlichen Anforderungen – etwa durch mehr Wiederholungen oder anspruchsvollere Āsana – wurde die Aktivierung und Kräftigung ihres Bewegungssystems gefördert. Die Auswahl der nächsten Programmschritte erfolgte stets in enger Abstimmung mit Frau S., deren Rückmeldungen entscheidend waren, um Überforderungen zu vermeiden und die maximale Wirkung zu erzielen.

Der psychische Auftrieb, den diese Fortschritte Frau S. gaben, war deutlich zu erkennen. Sie begann, wieder für einige Stunden zu Bekannten oder in die Stadt zu gehen. Das kleine Kissen blieb zunächst ihr ständiger Begleiter, doch sie begann, dessen Bedeutung zu hinterfragen. Nach knapp zwei Jahren konnte Frau S. ihren Alltag schmerzfrei bewältigen und auch psychische wie körperliche Belastungen stabil meistern. Besonders beeindruckend war für sie das neu gewonnene Vertrauen in den eigenen Körper.

Der Tag, an dem sie vergaß, ihr Kissen zur Yogastunde mitzubringen, markierte für sie einen Wendepunkt und symbolisierte ihre wiedererlangte Freiheit. Der Zugewinn an Selbstwirksamkeit erweist sich häufig als der nachhaltigste Teil der Wirkung.

Auch wenn im Alltag unerwartete Rückschläge auftreten können, bleibt das Wissen um die erworbene Eigenkompetenz der Antrieb, neue Herausforderungen zu bewältigen. Zehn Jahre später übt Frau S. ihre Yogapraxis mit Souveränität und Kompetenz. Sie hilft ihr nicht nur, das Erreichte zu erhalten und ihre Möglichkeiten weiterzuentwickeln, sondern auch, die eigenen Grenzen realistisch einzuschätzen. Yoga hat ihr einen neuen Blick auf sich selbst eröffnet und sie nachhaltig verändert.

Ressourcenorientiert

Keine noch so fundierte Erläuterung, kein noch so inspirierender Kommentar vonseiten der Yogalehrenden kann die Bedeutung der eigenen Erfahrung der Übenden erreichen.

Das heilende Geschehen von Yoga entfaltet sich aus dem übenden Menschen selbst heraus und wird ausschließlich von ihm erfahren.

Dennoch spielt das »Setting« des Unterrichts eine wesentliche Rolle für das Üben. Es wirkt sich sowohl direkt auf das Übungsprogramm als auch auf die Art und Weise aus, wie geübt wird. Grundlage dafür bildet die Pädagogik des Yoga. Die Auswahl der Übungen durch Lehrende erfolgt so, dass die Übenden nicht mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten und Schwächen konfrontiert werden. Dafür ist ein Verständnis sowohl der Ressourcen als auch der Grenzen der Übenden erforderlich.

Ein Beispiel verdeutlicht diesen Ansatz: Frau M., 45 Jahre alt, leidet seit ihrer Pubertät an allergischen Reaktionen und entwickelte im Laufe von zwanzig Jahren ein chronisches Asthma, das immer wieder in akuten Anfällen eskaliert. Selbst bei geringer Belastung hat sie das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen, und beschreibt ihre Erfahrung mit den Worten: »Es kommt nichts rein«. Diese Einschränkung führte dazu, dass sie befürchtete, Yoga gar nicht ausüben zu können. Im Gespräch wirkt sie nervös und ängstlich. Sie erwähnt, dass sie als Kind gern gesungen hat, was ihr später durch die Atemnot nicht mehr möglich war, und dass Musikhören weiterhin zu ihren liebsten Freizeitbeschäftigungen zählt.

Die Yogalehrerin bittet Frau M. bei ersten Bewegungen, beim Senken der Arme leise zu summen. Schnell zeigt sich, dass diese Vorgehensweise Frau M. sehr angenehm ist. Deshalb wird das Summen in weiteren Übungen beibehalten. Frau M. fühlt sich dadurch entspannter und freier im Atmen. In der nächsten Stunde schlägt die Lehrerin vor, das Summen durch das Tönen einer Silbe zu ersetzen. Allmählich werden Teile der Āsanapraxis mit dem Rezitieren von Silben verbunden. Mit der Zeit gelingt es, Bewegung und Ton immer enger zu verknüpfen und die Qualität des Tönens zu verbessern. Der Atem reicht nun für ein gleichmäßiges, für Frau M.s Verhältnisse langes Tönen. Im Verlauf der nächsten Wochen stabilisieren sich die positiven Wirkungen dieser Praxis, die über Monate und Jahre anhalten.

Nicht immer gelingt es so unkompliziert wie in diesem Beispiel, vorhandene Ressourcen für die Āsanapraxis zu nutzen. Doch die Suche nach Potenzialen und die Offenheit für positive Erfahrungen bilden einen wesentlichen Grundstein für den Erfolg in der therapeutischen Arbeit mit Yoga.

Āsanaüben wirkt

Es lässt sich festhalten, dass Āsana ihre heilende Wirkung unter bestimmten Bedingungen entfalten. Entscheidend sind dabei folgende Aspekte:

– Āsana werden regelmäßig geübt.
– Verschiedene Āsana werden sinnvoll aufeinander abgestimmt und zu einer Übungsreihe verbunden.
– Die Auswahl und Ausführung der Āsana orientiert sich am Anliegen der jeweiligen Person.
– Die Praxis berücksichtigt sowohl die Ressourcen als auch die Grenzen der Übenden.
– Im Mittelpunkt steht die Qualität der Ausführung – etwa Atemfluss, Achtsamkeit und Schmerzfreiheit – und nicht die äußere Form.
– Die Entwicklung und das Angebot der Übungspraxis erfolgen in einem vertrauensvollen Rahmen.

Diese Grundsätze bilden die Basis für eine wirksame und individuell stimmige Āsanapraxis. ▼

Dieser Artikel ist ursprünglich
erschienen in
Weitere artikel aus der Themensammlung: yoga & gesundheit

Bleibe auf dem Laufenden mit unserem Newsletter

Ideal für alle, die aktuelle Entwicklungen und neue Artikel im Blick behalten möchten – unabhängig und werbefrei.


Kurz. Klar. Kostenlos. Direkt in dein Postfach.

Viveka-Hefte und Bücher kaufen

Ob als persönlicher Begleiter auf deinem Weg oder als besonderes Geschenk für andere: Die Hefte sind mehr als Lektüre. Sie laden ein zum Nachdenken, Einordnen und Vertiefen – mit Essays, Hintergrundtexten und Praxistipps aus über 40 Jahren gelebter Yoga-Erfahrung.

Success!
This is a success message.
Error
This is an error message.