Diese Artikelreihe widmet sich ganz der Yogapraxis.
Egal, ob du mehr über Meditation oder Prāṇāyāma erfahren möchtest, fundierte Informationen zu einzelnen Āsana suchst oder dich für bestimmte Zielgruppen interessierst – hier wirst du fündig!
Äußere Veränderungen waren schon immer eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Yogas.
Unter der Überschrift Tradition – Yoga im Wandel findest du daher nicht nur Artikel zu Hintergrund, Geschichte und wichtigen traditionellen Texten und Schriften, sondern auch Beiträge, die sich unter dem Stichwort TravellingYoga mit Veränderungen und notwendigen Anpassungen im Yoga auseinandersetzen.
Im offiziellen Gesundheitsbetrieb sind Yoga-Angebote im Rahmen präventiver Maßnahmen heute eine Selbstverständlichkeit geworden. Ebenso wird es niemanden mehr wundern, wenn in einer Zeitschrift, einem Fernsehbericht oder einer Werbebroschüre unter der Rubrik Fitness oder Wellness auch von Yoga die Rede ist. Im Internet finden sich allein aus Deutschland tausende Seiten, in denen Fitness und Yoga in Zusammenhang gebracht werden.
Das liest sich dann zum Beispiel so: ...macht straff und stark: schön in Form mit Yoga; Yoga: Fitness, Wellness und Training für Körper, Geist und Seele; Wellness und Fitness von Yoga bis Solarium; Yoga, fernöstliche Fitness.
Ein Blick in gängige Yoga-Zeitschriften lässt ahnen, dass dieser Trend seinen Höhepunkt nicht erreicht hat. Sicherlich fördert diese Entwicklung einen Blick auf Yoga, der von Oberflächlichkeit, Beliebigkeit und oft auch kühl kalkulierten Marketinginteressen geprägt ist. Niemand wird aber verhindern können, dass Yoga in der Öffentlichkeit immer häufiger in die Nähe von Fitness und Wellness gerückt wird.
Der folgende Artikel widmet sich diesem ganz besonderen Blick auf Yoga und fragt, was dabei von einer Yogapraxis erwartet werden kann und was nicht. Zum besseren Verständnis werden in einem 2. Teil dieser Kurzserie wichtige physiologische Grundlagen und einige Trainingsmethoden dargestellt und diskutiert.
An dieser Stelle noch ein Hinweis: Informationen zur Aussprache und Schreibweise der verwendeten Sanskrit-Begriffe findest Du im Bereich Fragen und Antworten.
Yoga und Fitness
Im offiziellen Gesundheitsbetrieb sind Yoga-Angebote im Rahmen präventiver Maßnahmen heute eine Selbstverständlichkeit geworden. Ebenso wird es niemanden mehr wundern, wenn in einer Zeitschrift, einem Fernsehbericht oder einer Werbebroschüre unter der Rubrik Fitness oder Wellness auch von Yoga die Rede ist. Im Internet finden sich allein aus Deutschland tausende Seiten, in denen Fitness und Yoga in Zusammenhang gebracht werden.
Das liest sich dann zum Beispiel so: ...macht straff und stark: schön in Form mit Yoga; Yoga: Fitness, Wellness und Training für Körper, Geist und Seele; Wellness und Fitness von Yoga bis Solarium; Yoga, fernöstliche Fitness.
Ein Blick in gängige Yoga-Zeitschriften lässt ahnen, dass dieser Trend seinen Höhepunkt nicht erreicht hat. Sicherlich fördert diese Entwicklung einen Blick auf Yoga, der von Oberflächlichkeit, Beliebigkeit und oft auch kühl kalkulierten Marketinginteressen geprägt ist. Niemand wird aber verhindern können, dass Yoga in der Öffentlichkeit immer häufiger in die Nähe von Fitness und Wellness gerückt wird.
Der folgende Artikel widmet sich diesem ganz besonderen Blick auf Yoga und fragt, was dabei von einer Yogapraxis erwartet werden kann und was nicht. Zum besseren Verständnis werden in einem 2. Teil dieser Kurzserie wichtige physiologische Grundlagen und einige Trainingsmethoden dargestellt und diskutiert.
An dieser Stelle noch ein Hinweis: Informationen zur Aussprache und Schreibweise der verwendeten Sanskrit-Begriffe findest Du im Bereich Fragen und Antworten.
Yoga und Fitness
Im offiziellen Gesundheitsbetrieb sind Yoga-Angebote im Rahmen präventiver Maßnahmen heute eine Selbstverständlichkeit geworden. Ebenso wird es niemanden mehr wundern, wenn in einer Zeitschrift, einem Fernsehbericht oder einer Werbebroschüre unter der Rubrik Fitness oder Wellness auch von Yoga die Rede ist. Im Internet finden sich allein aus Deutschland tausende Seiten, in denen Fitness und Yoga in Zusammenhang gebracht werden.
Das liest sich dann zum Beispiel so: ...macht straff und stark: schön in Form mit Yoga; Yoga: Fitness, Wellness und Training für Körper, Geist und Seele; Wellness und Fitness von Yoga bis Solarium; Yoga, fernöstliche Fitness.
Ein Blick in gängige Yoga-Zeitschriften lässt ahnen, dass dieser Trend seinen Höhepunkt nicht erreicht hat. Sicherlich fördert diese Entwicklung einen Blick auf Yoga, der von Oberflächlichkeit, Beliebigkeit und oft auch kühl kalkulierten Marketinginteressen geprägt ist. Niemand wird aber verhindern können, dass Yoga in der Öffentlichkeit immer häufiger in die Nähe von Fitness und Wellness gerückt wird.
Der folgende Artikel widmet sich diesem ganz besonderen Blick auf Yoga und fragt, was dabei von einer Yogapraxis erwartet werden kann und was nicht. Zum besseren Verständnis werden in einem 2. Teil dieser Kurzserie wichtige physiologische Grundlagen und einige Trainingsmethoden dargestellt und diskutiert.
An dieser Stelle noch ein Hinweis: Informationen zur Aussprache und Schreibweise der verwendeten Sanskrit-Begriffe findest Du im Bereich Fragen und Antworten.
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Einleitung
Wer TeilnehmerInnen von Yogakursen danach fragt, was sie sich von einer Yogapraxis an Wirkungen versprechen, wird die unterschiedlichsten Antworten erhalten. Sicher steht der Wunsch nach Fitness, neben Entspannung, auf der Liste der Bedürfnisse weit oben.
Vorbehalte aufseiten der Unterrichtenden dem gegenüber sind sicher berechtigt, aber sie sollten angesichts der bestehenden Erwartungen unter Yoga Übenden nicht verhindern, sich um eine fundierte Antwort auf die Frage zu bemühen: Welche Rolle kann Yoga spielen, wenn Fitness gefragt ist?
Es zeigt sich, dass einige Aspekte, die im Wunsch nach Fitness enthalten sind, dem Yoga keineswegs fremd sind.
Etwa die Vorstellung, man könne und müsse selbst etwas für die eigene Gesundheit tun und dabei Verantwortung für das eigene körperliche Wohlbefinden übernehmen.
Oder die Vorstellung, dass wir unsere körperliche Leistungsfähigkeit durch regelmäßiges Üben besser erhalten können.
Auch scheut sich der Yoga nicht, Mittel und Wege aufzuzeigen, die eine unmittelbare Erfahrung genussvollen Körperempfindens erlauben. Also gibt es Anleitungen für ein Erleben, das viele heutzutage mit Wellness beschreiben würden.
Tatsächlich lässt sich Yoga aber nicht ganz so einfach in die Nähe einer immer noch boomenden Wellnessbewegung rücken. Obwohl auch die 500 Jahre alte Haṭha Yoga Pradīpikā bereits die Vorteile einer guten Yogapraxis preist; sie verspricht Erstaunliches: schlanker Körper, strahlendes Gesicht, klare Stimme, glänzende Augen, Freiheit von Krankheit …
Heute werden Fitnessstudios von vielen Menschen genutzt. Meist stehen gesundheitliche Aspekte, Fitness, Kondition und der Wunsch nach einem schönen Körper im Mittelpunkt.
Allerdings bleiben im Yoga solche Vorstellungen eingebettet in einen Kontext, der weit hinausgeht über das, was sich heute mit Begriffen wie Fitness oder Wellness verbindet.
Yoga macht deutlich, dass fit zu sein nicht automatisch heißt, sich auch glücklich zu fühlen. Und dass eine Wellness-Erfahrung keineswegs nachhaltige Zufriedenheit und schon gar nicht mehr innere Freiheit garantiert.
Andererseits lässt etwa das Yoga Sūtra keinen Zweifel daran, wie viel mühsamer innere Ausgeglichenheit für einen Menschen zu finden ist, wenn ihn eine Krankheit quält: Vyādhi – Krankheit nennt Patañjali dort als Erstes eines von vielen Hindernissen, die den Weg des Yogas erschweren können.
Noch etwas anderes ist in diesem Zusammenhang interessant: In seiner langen Geschichte hat sich der Yoga schon immer als nur eines von vielen Mitteln verstanden, wenn es um Gesundheit und Wohlbefinden ging.
So stand es nie außer Frage,
wie wichtig eine richtige Ernährung für die Gesundheit eines Menschen ist
wie entscheidend sich für unser Wohlbefinden und innere Balance eine stimmige Lebensordnung auswirkt: ausreichend Schlaf, genügend Erholung, angemessener Rhythmus …
Heute ist die Situation nicht anders. Der Yoga ist umgeben von vielen Angeboten und Methoden, denen es ebenfalls ernst damit ist, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu fördern oder über eine positive Erfahrung des eigenen Körpers mehr Wohlbefinden erreichen zu wollen.
Wie sich in dieser Vielfalt zurechtfinden?
Welche Entscheidungshilfen können YogalehrerInnen dabei geben?
Die meisten Menschen, die mit dem Bedürfnis nach Fitness zum Yoga kommen, sind vor allem an seinen Körperübungen, den Āsanas interessiert. Im Folgenden soll deshalb die Āsanapraxis auch ganz im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen.
Für ein unbeschwertes und erfolgreiches Unterrichten ist wenig so hinderlich wie das Arbeiten gegen Erwartungen, die nicht zu erfüllen sind. Diese Positionsbestimmung wird deshalb auch hier beginnen: WelcheErwartungen an eine Āsanapraxis im Zusammenhang von Fitness sind eigentlich angemessen, und vor allem auch: welchenicht?
Āsanapraxis kann kein Ausdauertraining ersetzen
Was ist Ausdauertraining? Das kann zum Beispiel Joggen, strammes Spazieren gehen, Walken, Radeln auf einem Ergometer, Schwimmen und vieles andere mehr sein.
Wer mehr erfahren möchte, was genauer unter Ausdauertraining aus physiologischer Sicht zu verstehen ist, findet im 2. Teil im Kapitel Wissenswertes 5 – Ausdauertraining weitere Informationen.
Wie kann nun einem Bedürfnis begegnet werden, das im Yoga nach den Wirkungen von Ausdauertraining sucht?
Reicht es nicht, wenn ich jeden Morgen meine 10 Sonnengrüße mache, um eine bessere Kondition zu bekommen?
Kann ich nicht statt mit einer halben Stunde Joggen das Gleiche mit intensiver Āsanapraxis erreichen?
Die Antwort ist beides Mal ein eindeutiges Nein. Die Gründe dafür sind einfach:
Die wesentlichen Wirkungen eines Ausdauertrainings entstehen dadurch, dass Herz und Kreislauf über eine längere Zeit und ohne Unterbrechung belastet werden. Die dafür nötige Belastungsintensität kann mit Āsanapraxis kaum erreicht werden. Die Anforderungen einer Āsanapraxis an den Kreislauf sind in der Regel viel zu gering, zu oft durch Pausen unterbrochen und können vor allem den Herzmuskel nicht so stimulieren wie bei einer angemessenen Ausdauerbelastung. Es sei denn, man würde alles aufgeben, was die besondere Qualität von Yoga ausmacht: zum Beispiel die Ruhe des Atems, die Achtsamkeit in den Bewegungen, die Zeit zur Körperwahrnehmung.
Theoretisch wäre noch vorstellbar, dass jemand 30 Minuten lang eine dynamische Āsanareihe so übt, dass der Puls stark genug ansteigt und ausreichend Schweiß rinnt: Das Ergebnis könnte sich aber selbst dann nicht mit dem eines Ausdauertrainings messen. Praktisch gesehen wäre eine solche Praxis nämlich niemandem zu empfehlen. Die Belastung für Gelenke und Rücken wäre viel höher als etwa beim Joggen. Die Bewegungsabläufe in Āsanareihen sind ungleich komplexer als bei jeder Art des Ausdauertrainings; es ist unmöglich, sie unter hoher körperlicher Belastung lange genug in der für ein sicheres Üben nötigen Aufmerksamkeit durchzuführen. Es besteht also ein großes Risiko, damit schließlich in ernsthafte gesundheitliche Probleme zu geraten.
Ausdauertraining muss darüber hinaus die aufgewendete Anstrengung möglichst fein dosieren können. Beim Joggen oder Walken zum Beispiel ist das sehr einfach, man läuft einfach ein klein wenig schneller oder langsamer. Āsanapraxis auf hohem Belastungsniveau kann in seinen Anforderungen für das Herz-Kreislauf-System nur sehr viel schwieriger reguliert werden. Wer also für sein Herz-Kreislauf-System nach den Wirkungen eines Ausdauertrainings sucht, braucht anderes als eine Yogapraxis.
Auch wenn es um die Steigerung der Kondition geht, wird man mit den Wirkungen von Āsanapraxis nicht zufrieden sein können.
Die Verbesserung der Kondition ist ein Prozess, in dem sich unter anderem der Stoffwechsel, die Durchblutung des Herzens und der Bewegungsmuskulatur zusammen mit einer Vielzahl vegetativer Regulationsmechanismen in eine ganz besondere Richtung hin verändern.
Dies ist nur durch eine regelmäßig wiederholte Dauerbelastung zu erreichen. Sicher kann eine regelmäßige Praxis körperlich fordernder Āsana die Kapazität für körperliche Belastungen erweitern. So beschreiben Menschen immer wieder, dass sie sich durch ihre Yogapraxis einer Anstrengung wie Wandern oder Treppensteigen besser gewachsen fühlen. Solche Erfahrungen bleiben aber in der Regel nur denjenigen vorbehalten, die Yogapraxis aus einer Situation extremen Bewegungsmangels heraus beginnen. Oder es sind Wirkungen, die einer besseren Körperbeherrschung und Beweglichkeit geschuldet sind. Wer beim sommerlichen Fahrradurlaub immer zuletzt am Berg war und dies bis zum nächsten Mal ändern möchte, braucht entschieden intensivere und vor allem andauernde Belastungen des Herz-Kreislauf-Systems, als das jede noch so anstrengende Āsanapraxis bieten könnte. Das gilt umso mehr, wenn jemand vorhat, den Kailash zu umrunden und sich für die Überwindung 5000 Meter hoher Pässe besser vorbereiten möchte.
Āsanapraxis für mehr Kraft
Natürlich gibt es Menschen, die mit Yoga mehr Kraft gewinnen möchten. Und so möchte man bestimmte Muskeln vergrößern und damit ihrem Körper ein aus ihrer Sicht besseres Aussehen verleihen wollen. Zweifellos kann ihnen Āsanapraxis dabei behilflich sein.
Wer allerdings mit Āsanapraxis Kraftgewinn oder Muskelwachstum erreichen will, muss dafür sehr gezielt und auf besondere Weise üben. Nicht jede Anstrengung eines Muskels – sei sie auch noch so schweißtreibend – ist Anlass, kräftiger zu werden oder zu wachsen.
Der Rücken
Mehr als für jeden anderen Bereich des Körpers bietet Āsanapraxis für die Kräftigung der Muskulatur des Rückens ausgesprochen differenzierte, sehr erfolgreiche und bewährte Mittel an. (Vielleicht deshalb, weil die Aufrichtung der Wirbelsäule dem Yoga immer ein wesentliches Anliegen war).
Um diese Mittel richtig einzusetzen, hilft das Verständnis davon, was eigentlich »Kräftigung« eines Muskels meint. Wenn vom Rücken die Rede ist, ist mit »kräftig« meistens so viel gemeint wie »gesund«. Das ist so nicht richtig.
Ein gesunder, also schmerzfreier und belastbarer Muskel zeichnet sich dadurch aus, dass er seine Kraft auf harmonische Weise entwickeln kann.
Harmonisch bedeutet übersetzt in die Sprache der Physiologie: Ökonomisch, und damit von den beteiligten Nerven gut koordiniert und im Stoffwechselgeschehen angemessen reguliert. Für das Anspannen der Rückenmuskulatur bedeutet das:
ein gesunder Rücken geht nur dort in eine Spannung, wo dies wirklich notwendig ist
seine Muskulatur kann über Stunden hinweg arbeiten, ohne zu ermüden
verlangt man von ihm eine besondere Anspannung, reagiert er kurzfristig und ohne Zögern
das Maß der Anspannung ist immer der gestellten Aufgabe angemessen: kein Zu Viel und kein Zu Wenig
Das verlangt ein komplexes Zusammenspiel vieler Prozesse:
auf der Ebene der Nerven, welche die Muskeln steuern
auf der Ebene der Bereitstellung von Energie, die der Muskel für seine Arbeit braucht
auf der Ebene der Muskelzellen und ihrem Stoffwechsel
auf der Ebene der Koordination von hunderten von Muskelgruppen, die zusammen den Rückenmuskel bilden
auf der Ebene der Dehnfähigkeit und Beweglichkeit der Bänder und Sehnen
Spielen alle diese Ebenen auf gute Weise zusammen, drückt sich das in größerer Leistungsfähigkeit und besserer Belastbarkeit aus. Der Rücken ist »gesund«. Man kann auch sagen, der Rücken hat mehr »Kraft«, was auch zutrifft: Es fällt ihm etwa leichter, aus der Bauchlage heraus den Oberkörper anzuheben.
Wachsen, also vergrößern, braucht der Muskel dafür aber in der Regel nicht, und wenn, dann nur unwesentlich. Einem schmerzenden Rücken mangelt es also in der Regel nicht an Muskelmasse. Was ihn krank macht, ist vielmehr ein ungünstiges Zusammenspiel aller an einer Muskelanspannung beteiligten Faktoren.
»Muskuläre Dysbalance« wird dieser Zustand in der wissenschaftlichen Fachsprache genannt.
Wer einer solchen Dysbalance vorbeugen oder schon bestehenden chronischen Verspannungen oder Schmerzen in der Rückenmuskulatur entgegenarbeiten will, kann dies mit einer entsprechenden Āsanapraxis ausgesprochen wirksam tun. Dafür braucht es allerdings eine konsequente Aktivierung der Rückenmuskulatur. Übungen wie bhujaṅgāsana, śalabhāsana oder auch vīrabhadrāsana können hier guten Dienst leisten. Gerade die Rückbeugen aus der Bauchlage (bhujaṅgāsana und śalabhāsana) sind in ihrer Wirkung weitreichend. Sie können die Rückenmuskulatur »kräftigen« im Sinne einer Harmonisierung ihrer Funktion: Ihre Durchblutung und innermuskuläre Koordination wird verbessert, ihr Stoffwechsel optimiert, das Zusammenspiel ihrer zahlreichen kleinsten Muskelgruppen verfeinert. Das macht den Rücken belastungsfähiger, verhindert oder mindert Verspannungen und hilft so, das Risiko von Rückenschmerzen zu senken. Um solche Wirkungen zu erreichen, muss für die Āsanapraxis allerdings einiges beachtet werden. Vor allem, dass es ausschließlich dynamisches Üben ist, das einen Rücken kräftigt.
Dynamisch bedeutet: das Āsana langsam einzunehmen und es langsam wieder aufzulösen (Abb. 2).
Jemand mit normal entwickelter Atemlänge übt auch dann noch dynamisch, wenn die Endposition für einen Atemzug gehalten wird (Abb. 3); Beispiele a und b. Alles, was darüber hinaus geht, bringt keinen Zuwachs an Wirkung. Im Gegenteil. Bleibt der Muskel länger angespannt, verschlechtert sich seine Stoffwechselsituation rasch und das Üben wird mehr oder weniger wirkungslos. Jedenfalls dann, wenn es um die Kräftigung, die Gesunderhaltung oder Gesundung der Muskulatur geht.
Durch Bewegungen insbesondere der Arme kann ein statisches Halten »dynamisiert« werden: Verschiedene Muskelgruppen müssen jetzt die notwendige Spannung unterschiedlich lange und unterschiedlich intensiv aufbauen (Beispiele c und d). Ein Halten des Āsanas über mehr als zwei Atemzüge hinweg wird aber auch in solchen Varianten die Wirksamkeit des Übens für ein Kräftigen der Muskulatur nur schmälern.
So kann der Muskel in der Statik allenfalls zeigen, was er kann. Zu lernen gibt es für ihn dabei wenig.
Am wichtigsten ist:
eine ausreichende Anzahl an Wiederholungen
die Regelmäßigkeit der entsprechenden Übungen
eine angemessene intensive Anforderung
Für einen schmerzfreien Rücken sind zum Beispiel vier Wiederholungen von bhujaṅgāsana sicher zu wenig, um langfristige und stabilisierende Wirkungen zu erreichen. Ebenso genügt ein einmaliges Üben pro Woche nicht aus, um einen Rücken wirklich zu kräftigen.
Die Beine
Nachdem beschrieben wurde, was es braucht, um Muskeln zu kräftigen, wird verständlich, dass manche Yogaversprechen nicht realistisch sind. Wenn z. B. behauptet wird: Bei einer statischen Praxis von vīrabhadrāsana werden die Beinmuskeln gekräftigt.
Wenn jemand durch die wiederholte Praxis von vīrabhadrāsana immer stabiler in der Position steht, dann hat das nichts mit einem Kraftzuwachs in der Beinmuskulatur zu tun. Vielmehr ist die erlangte Stabilität der Ausdruck davon, dass diese besondere Haltung besser beherrscht wird. Dies geschieht wesentlich durch eine Gewöhnung des Gleichgewichtssinns an diese Körperstellung und eine Verbesserung des Zusammenspiels der vielen an dieser Haltung beteiligten Muskelgruppen vom Fuß bis zum Nacken.
Der Vorstellung, man könne die Stabilität einer Haltung direkt mit Muskelkraft in Verbindung bringen, liegt ein falsches Verständnis von Muskelfunktion zugrunde. Stabilität in einer Haltung ist kein Ausdruck besonders großer Muskelkraft. Vielmehr sind es oft gerade die kräftigsten Muskeln, die bei einer statischen Āsanapraxis schnell ins Zittern geraten und instabil werden. Vor allem dann, wenn sie zum Halten eines Āsanas etwas gedehnt werden müssen. Das zeigt sich im vīrabhadrāsana zum Beispiel am nach hinten gestellten Bein oder im ūrdhva prasṛta pādāsana, wenn die Beine nach oben gestreckt werden sollen. Gerade bei sehr muskulären und kräftigen Beinen sind da schnell ein Zittern und Wackeln zu beobachten. Es rührt daher, dass die entsprechenden Muskeln sich gegen ihre Dehnung wehren, indem sie eine starke Gegenspannung aufbauen. Dieser Konflikt zwischen dem sehr hohen Tonus (Spannungsgrad) der Muskeln und ihrer starken Dehnung führt schließlich zu unkontrolliertem Zittern und Instabilität der Übung. Nicht das Ausmaß an Kraft, sondern die Qualität der Koordination sorgt für Stabilität im Āsana. Das dafür notwendige Gefühl für Gleichgewicht lässt sich durch wiederholtes Praktizieren einer bestimmten Übung einfach trainieren; mehr Muskelkraft ist dafür nicht entscheidend.
In einer Haltung, wie vīrabhadrāsana stabil zu stehen, hat nichts mit besonders ausgebildeter Muskelkraft zu tun (Abb. 4). Auch wird ein statisches Üben dieser Haltung kaum eine wesentliche Vergrößerung der Beinkraft bewirken können. Ein stabilerer Stand in diesem Āsana ist vielmehr die Folge einer Verbesserung der Koordination und des Zusammenspiels von Gleichgewichtssinn und Bewegungsmuskulatur.
Instabilität und Zittern der Beine sind in einer Übung wie ūrdhva prasṛta pādāsana oft gerade bei sehr kräftigen Beinmuskeln zu beobachten (Abb. 5).
Wer die Beine wirklich kräftigen will, muss sie unter Last dynamisch fordern. Das wäre auch in einem dynamisch geübten vīrabhadrāsana möglich, aber nur, wenn dabei darauf geachtet wird, das vordere Bein möglichst stark im Knie zu beugen. Nur so wird nämlich das Körpergewicht für die vorderen Beinmuskeln zu einem genügend großen Widerstand. Ausgesprochen gut geeignet für eine Kräftigung der Beine ist ardha utkaṭāsana mit seinen vielen Varianten. Aber Vorsicht: Auch hier werden nicht nur Beinmuskeln gekräftigt (wesentlich die vorderen), sondern auch die Knie stark belastet. Vor allem, wenn das Becken sehr tief gesenkt wird. Tiefe Kniebeugen, wie sie früher sehr beliebt waren, sind heute auch aus der Gymnastik verbannt. Sie bringen den Knien erheblich mehr Schaden, als sie den Beinmuskeln nutzen. Auch hier gilt: So wirkungsvoll das anstrengende Verweilen im ardha utkaṭāsana auch erscheinen mag – wer damit mehr Kraft gewinnen will, muss die Übung dynamisch und nicht statisch ausführen.
Soll vīrabhadrāsana die Kräftigung der Beinmuskeln fördern, muss es 1. dynamisch und 2. so geübt werden, dass dabei das vordere Knie weit nach vorn geschoben wird. Nur so trägt das Bein genug Gewicht und kann eine zum Training ausreichende Spannung aufbauen. Aber Vorsicht: Eine solche Intensivierung des Āsanas stellt dann auch große Anforderungen an das gebeugte Knie (Abb. 6).
Zum Kräftigen vor allem der vorderen Beinmuskeln ist ardha utkaṭāsana in dynamischer Praxis gut geeignet; Vorsicht, auch hier werden die Knie stark belastet (Abb. 7).
Die Arme
Die Möglichkeiten, mit Āsanas die Armmuskeln zu kräftigen, sind begrenzt. Gerade für den Bizeps gibt es kein Āsana, dessen Praxis wirklich Erfolg versprechend wäre. Anders die Rückseite der Armmuskeln: Der Weg aus der Bauchlage weg vom Boden in das catuśpāda dandāsana (Abb. 8) trainiert genau diesen Bereich der Arme. Diese Bewegung ist keine andere als der bekannte Liegestütz. Das Körpergewicht ist allemal groß genug, um genügend Spannung in den Armen aufzubauen und die dabei geforderten Muskeln auch wachsen zu lassen. Betroffen davon sind neben den rückwärtigen Oberarmmuskeln vor allem jene Muskeln, die vom Schultergelenk zur Brust ziehen. Wir dürfen aber auch hier nicht vergessen: Soll sich die Muskulatur tatsächlich verändern, braucht es eine genügende Anzahl von Wiederholungen der Übung selbst und Regelmäßigkeit im Üben.
Der Bauch
Hier liegen die Dinge einfacher. Die entsprechenden Übungen sind vielen vertraut. Als Āsanas kommen Varianten von navāsana, (Boot) oder ūrdhva prasṛta pādāsana geübt werden.
Zur Kräftigung der Bauchmuskeln eignen sich Varianten von navāsana (Abb. 9a) und ūrdhva prasṛta pādāsana (Abb. 9b).
Einige Varianten des Weges vom Liegen hin zu navāsana ähneln dem, was Fitnesstreibende als Sit-up kennen. In der Fitness-Szene selbst wird die Frage einer richtigen Praxis dieser Sit-ups allerdings noch immer diskutiert. Denn ein vollständiges Aufsitzen vom Liegen bedeutet für den unteren Rücken (einschließlich der Bandscheiben) eine sehr hohe, oft zu hohe Belastung. Deshalb wird inzwischen empfohlen, den Oberkörper nur so weit vom Boden abzuheben, dass der untere Rücken noch im Kontakt zum Boden bleibt.
Sit-up, die einfachste Art, die Bauchmuskeln zu kräftigen. Wird dabei der Rumpf vom Boden abgehoben, gerät die Muskulatur des unteren Rückens in eine hohe Spannung und es entsteht ein hoher Druck auf die Bandscheiben (Abb. 10).
Effektiv ist auch die aus der Āsanapraxis gut bekannte Variante von ūrdhva prasṛta pādāsana, in der die Beine gestreckt, angehoben und gesenkt werden (auch hier nur dynamisch, die Belastung für den unteren Rücken bleibt erheblich).
Hinderlich für realistische Erwartungen an ein Training der Bauchmuskeln erweist sich immer wieder ein weitverbreitetes Missverständnis. Es ist der falsche Glaube, ein Training der Bauchmuskeln wäre ganz besonders gut geeignet, gerade die Fettpolster im Bauchbereich zu erreichen und schmelzen zu lassen. Fettpolster stehen aber in ihrem Stoffwechsel in keinerlei direktem Zusammenhang zu den Muskeln, denen sie aufliegen. Das gilt für den Bauch ebenso wie für die Beine oder das Gesäß. Eine Kräftigung der Bauchmuskeln an sich wird deshalb kein Gramm Bauchfett abtragen. Vielleicht ist optisch ein Gewinn erreicht, weil der Bauch insgesamt straffer ist, aber das Fett kümmert sich nicht um die Arbeit der Muskeln von nebenan. Fettabbau geschieht allein über zentral regulierte Stoffwechselprozesse. Wenn also das Bauchfett weniger wird, dann deshalb, weil der Körper begonnen hat, sein Gesamtkörperfett abzubauen. In welchem Bereich er damit zuerst anfängt, hat sich bei genauerer Betrachtung leider als recht fest programmiert erwiesen, und es ist leider nicht der Bauch. Keine noch so raffinierte Technik kann dieses individuelle Muster wesentlich beeinflussen.
Also: Bauchmuskeltraining strafft Muskeln, baut aber kein Fett ab. Wer das möchte, muss aufs Fahrrad oder in den Park.
Āsanas zum Muskelaufbau?
Offensichtlich eignen sich manche Āsanavariationen tatsächlich auch dafür, Muskeln zu kräftigen oder gar wachsen zu lassen. Allerdings müssen sie dann auch in angemessener Weise praktiziert werden. Nicht nur ein oder zweimal, sondern so oft, dass die getane Arbeit wirklich zu spüren ist. Und wer Muskeln wachsen sehen will, muss beim Üben sogar bis zu einer gewissen Erschöpfung gehen. Die wichtigste Frage wird nun sein:
Passt ein solches Üben zu einer vorgeschlagenen Āsanapraxis?
Oder wird das Üben zum Fremdkörper, zur mechanischen Gymnastik zwischen ganz andersgearteten Yogaübungen?
Nur ein geschicktes Vorgehen kann verhindern, dass die Nutzung von Āsanas zum Krafttraining nicht genau das verlieren lässt, was Yogapraxis so wertvoll macht. Sehr einfach ist dies bei allen Übungen zur Stärkung des Rückens. Das liegt wohl daran, dass diese Āsanas die Rückenkräftigung als eines ihrer wesentlichen Ziele beinhalten. Eine wirkungsvolle Arbeit an der Rückenmuskulatur erreicht man mit Übungen wie bhujaṅgāsana oder śalabhāsana ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Anders sieht es aus, wenn jemand durch catuśpāda dandāsana, den Liegestütz, seine Arm- und Brustmuskulatur wachsen lassen will. Wo bleibt der gut geführte und langsame Atem, wo die Achtsamkeit? Nicht dass es unmöglich wäre, aber es verlangt einen sehr besonderen Umgang im Üben. Und schließlich gibt es noch eines zu bedenken: Viele unserer Bewegungsmuskeln können mit Yogaübungen nicht wirkungsvoll genug erreicht werden, da es um ihre Kräftigung gehen soll. Noch mehr gilt dies, wenn ein Muskelzuwachs gewünscht wird. Um falschen Erwartungen vorzubeugen, sollten YogalehrerInnen dies auch vermitteln. Sie sollten deutlich machen, dass es nicht genügt, wenn sich nach einer Praxis das Gefühl einstellt, man hat sich ordentlich angestrengt. Das ist mit Āsana ja sehr einfach zu bewerkstelligen. Es braucht mehr. Dieses Mehr ist oft einfacher zu erreichen, wenn jemand neben seiner Yogapraxis zweimal in der Woche für eine viertel Stunde mit ein paar Hanteln trainiert oder in ein gutes Fitness-Studio geht. Der ungünstigste Fall: Eine YogalehrerIn versucht ohne große innere Zustimmung und im Gefühl, viel Kompromisse zu machen, den Bedürfnissen von TeilnehmerInnen nach Muskelaufbau wenigstens etwas entgegenzukommen. In Wirklichkeit schafft und pflegt sie aber nur eine Illusion, die ihre Teilnehmer daran hindern kann, das Gewünschte auf einfache und effektive Weise anzugehen und zu erreichen.
Ein forderndes Vinyāsa für navāsana, das Boot. Es zeigt, dass in einer dynamischen Praxis dieses Āsanas den Bauchmuskeln viel Arbeit abverlangt werden kann (Abb. 11). In der gewählten Form schafft es viel Druck und Spannung im Lendenbereich; dynamisch geübt erheblich mehr als in einer statischen Praxis.
Im Unterschied zu navāsana (Abb. 11) kann ūrdhva prasṛta pādāsana sehr viel einfacher dosiert werden (Abb. 12). Es erweist sich für eine Aktivierung der Bauchmuskeln als sehr wirkungsvoll. Nur für Wenige sinnvoll ist die Variante (Abb. 12a). Besser variieren und anpassen lassen sich Variationen wie in (Abb. 12b) oder (Abb. 12c).
Tradition
Auch ein Blick in die Tradition des Yoga selbst hilft, in diesen Fragen mehr Klarheit zu finden. Es gibt dort eine Vermittlung von Āsanapraxis, in welcher der Fitnessaspekt einen großen Raum einnimmt.
Sṛṣti Krama wird jene Lebensspanne eines Menschen genannt, in der Wachstum, körperliche Entwicklung und Kräftigung ganz im Vordergrund stehen: Kindheit und Jugend, wir würden heute sagen, die Schulzeit. Die Praxis, die früher für diese Zeit vorgeschlagen wurde, unterscheidet sich grundsätzlich von der für Erwachsene (Sthiti Krama) oder jemandem, der mit einem gesundheitlichen Problem zum Yoga kommt (Cikitsa krama).
Yoga für das sṛṣti krama: Früher wurden Āsanas auch dafür benutzt, Kinder und Jugendliche in ihrer körperlichen Entwicklung zu fördern. Die dafür gewählten Āsanas stellten hohe Anforderungen nicht nur an die Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit, sondern auch an die Kraft. Der Bildausschnitt zeigt T. Krishnamacharya mit einigen seiner Schüler in seiner Yogaschule im Palast von Mysore im Jahre 1934 (Abb. 13).
Im Mittelpunkt des sṛṣti krama stehen körperlich sehr fordernde Übungen und viel Kraft verlangende dynamische Abfolgen von Āsanas. Solches Üben schafft bei Erwachsenen leider oft mehr Probleme, als dass es positive Wirkungen zeigt.
Heutzutage ist allerdings auch mit Kindern und Jugendlichen oft kaum noch möglich, was vor hundert Jahren gängiger Standard einer Āsanapraxis für junge Menschen war. Zu verbreitet sind Haltungsschäden, chronische Verspannungen, Übergewicht und Unbeweglichkeit schon im Schulalter. Sind allerdings die Voraussetzungen gegeben, lässt sich mit Kindern und Jugendlichen sehr wohl eine Āsanapraxis erarbeiten, die neben Beweglichkeit, Koordinationsfähigkeit und Körperbewusstsein auch ein hohes Maß an Kraftzuwachs und Muskelentwicklung ermöglicht.
Fit durch Yoga
So schwierig für den Yoga der Umgang mit Bedürfnissen nach Fitness im Sinne von Bodybuilding oder Bodyshaping auch sein mag, so einfach ist es, den Wunsch nach etwas zu befriedigen, was heute unter dem Begriff »Wellness« mehr oder weniger seriös vermarktet wird.
Es geht um die Erfahrung körperlichen Wohlbefindens. Eine differenzierte und positive Körpererfahrung gilt im Yoga als wichtiger Ausgangspunkt für die persönliche Entwicklung. Die unterschiedlichsten Wirkungen von Āsanapraxis haben körperliches Wohlbefinden im Üben zur Voraussetzung. Man muss nun »Wellness« nicht gleich mit dem Sanskrit-Begriff »sukha« (angenehm, leicht) übersetzen, um die Nähe zum Yoga zu untermauern. Aber es ist in der Tat die Erfahrung einer Leichtigkeit des Körpers, nach der das Yoga Sūtra für die Praxis von Āsana verlangt. Wenn es also um eine gute Erfahrung mit dem eigenen Körper gehen soll, dann kann dafür aus dem großen Schatz an Konzepten und Übungen geschöpft werden, den Yoga in Form von Āsanas, Prāṇāyāma und Meditationstechniken zu bieten hat.
Die Übungsprinzipien des Yoga sind mehr als viele andere Übungsweisen geeignet, jemandem die Erfahrung von körperlichem und ganzheitlichem Wohlbefinden zu vermitteln. Und dies unabhängig von komplizierten Gerätschaften, aufwendigen Techniken oder besonderer Umgebung. Ein einigermaßen ruhiger Platz, groß genug für eine schmale Matte, eine kompetente Anleitung und der Wille, selbst etwas für sich machen zu wollen, reichen aus.
Natürlich macht auch Yoga fit, körperlich ebenso wie mental. Fit für den Alltag, wie er auch aussehen mag. Auch hier gilt: Kaum eine Methode verfügt dabei über einen so großen und differenzierten Schatz an Übungen wie der Yoga.
Allerdings erreicht Yoga seine Wirkung nicht über die Beschleunigung des Herzschlags oder eine Veränderung des Fettstoffwechsels.
In der kühlen Sprache der Wissenschaft geht es beim Fit-Werden um die Verbesserung muskulärer Koordination und Kraftentwicklung, um größere Beweglichkeit, um verbesserte Körperwahrnehmung und um positive Anregung vegetativer Regulationsmechanismen.
Jener Bereich, in dem der Ursprung allen Yogaübens liegt, ist damit aber nur sehr bedingt angesprochen. Im Yoga geht es zentral immer um ein besseres Verständnis der eigenen Person. Im Zusammenhang mit Fitness berührt diese Frage neben der schon erwähnten besseren Körperwahrnehmung vor allem Themen wie:
Was tut mir wirklich gut?
Wo sind meine Grenzen?
Welche Ziele sind mir angemessen?
Was motiviert mich, wie viel davon selbstbestimmt ist, wie viel fremdbestimmt?
Wie gehe ich um mit der Wahrheit, dass ich nicht ewig jung bleibe?
Was kann ich tun, wenn mich körperliche Einschränkungen bedrücken?
Wie kann ich Veränderungen gegenüber offen bleiben?
Diese Fragen lassen sich niemandem aufdrängen. Aber ein gutes Yogaangebot kann dafür sorgen, das deutlich wird: Yoga bietet Konzepte und Handlungsmöglichkeiten an, die bei der Auseinandersetzung mit solchen Themen eine Hilfe werden können. Wer nach griffigen Schlagworten sucht, könnte es vielleicht so formulieren – Yoga macht fit und selbstbewusst.
Yoga für Fitness-Treibende
Einseitige Belastungen können zu körperlichem Ungleichgewicht führen. Das gilt für das andauernde Sitzen am PC genauso wie für manches Fitnesstraining. Und so wie Yogapraxis einer Fehlbelastung am Arbeitsplatz entgegenwirken kann, vermag es auch negative Nebenwirkungen von Fitnesstraining zu mindern. Dazu zwei Beispiele:
Vielen tut ein regelmäßiges Ausdauertraining durch Joggen gut. Dennoch sind sowohl der untere Rücken als auch die Knie dabei ganz besonderen Belastungen ausgesetzt. Bei entsprechender Veranlagung oder falschem Training kann dies ernsthafte Probleme verursachen. Untersuchungen unter Menschen, die ein regelmäßiges Lauftraining absolvieren, weisen darauf hin, dass sich durch dieses Training vermehrt Rückenschmerzen einstellen. Ebenso geraten nicht selten die Knie durch die besonderen Anforderungen beim Laufen in Schwierigkeiten. Natürlich kann ein Wechsel des Trainings, zum Beispiel vom Joggen zum strammen Gehen (Walking), Abhilfe schaffen. Oder eine Verbesserung der Lauftechnik. Daneben kann eine gezielte Āsanapraxis einen wichtigen Beitrag leisten, einem Menschen etwas zu erhalten, was Spaß macht und seine Gesundheit fördert. Sowohl bei der Stabilisierung eines labilen Rückens als auch bei einer Harmonisierung der Kniegelenke kann Yoga gute Dienste tun.
Aber auch wer ins Fitness-Studio geht, kann von Āsanapraxis profitieren. Dort an Maschinen intensiv am Muskelwachstum zu arbeiten, kann auch Negatives bewirken. Neben dem Entwickeln von einem Übermaß an Spannung wird auch die Körperhaltung manchmal in Mitleidenschaft gezogen. Viele der Übungen an schweren Gewichten und Maschinen haben den Nachteil, dass sie eine Krümmung des oberen Rückens begünstigen. Auf Dauer kann dies zu einer deutlich sichtbaren Fehlhaltung führen. Eine regelmäßige Praxis entsprechender Āsanas kann dagegen steuern. Und auch hier lehrt die Erfahrung, dass der Einfluss von Yoga schnell über das Körperliche hinaus gehen kann. Das zeigt sich dann etwa in einer größeren Achtsamkeit dem eigenen Körper gegenüber und Respekt gegenüber den erkannten eigenen Grenzen.
Wer Yoga unterrichtet, kann immer neu frei entscheiden, in welche Nähe zu Fitness und Wellness sie oder er sich begeben will. Für eine große Mehrheit der TeilnehmerInnen an Yogakursen gilt, dass ihr Verhältnis zu Fitness positiv ist und sich mit ihrer Entscheidung für Yoga auch Wünsche in diese Richtung verbinden. Klarheit über die Möglichkeiten und Grenzen von Yoga kann da für beide Seiten nur von Nutzen sein. ▼
Wer TeilnehmerInnen von Yogakursen danach fragt, was sie sich von einer Yogapraxis an Wirkungen versprechen, wird die unterschiedlichsten Antworten erhalten. Sicher steht der Wunsch nach Fitness, neben Entspannung, auf der Liste der Bedürfnisse weit oben.
Vorbehalte aufseiten der Unterrichtenden dem gegenüber sind sicher berechtigt, aber sie sollten angesichts der bestehenden Erwartungen unter Yoga Übenden nicht verhindern, sich um eine fundierte Antwort auf die Frage zu bemühen: Welche Rolle kann Yoga spielen, wenn Fitness gefragt ist?
Es zeigt sich, dass einige Aspekte, die im Wunsch nach Fitness enthalten sind, dem Yoga keineswegs fremd sind.
Etwa die Vorstellung, man könne und müsse selbst etwas für die eigene Gesundheit tun und dabei Verantwortung für das eigene körperliche Wohlbefinden übernehmen.
Oder die Vorstellung, dass wir unsere körperliche Leistungsfähigkeit durch regelmäßiges Üben besser erhalten können.
Auch scheut sich der Yoga nicht, Mittel und Wege aufzuzeigen, die eine unmittelbare Erfahrung genussvollen Körperempfindens erlauben. Also gibt es Anleitungen für ein Erleben, das viele heutzutage mit Wellness beschreiben würden.
Tatsächlich lässt sich Yoga aber nicht ganz so einfach in die Nähe einer immer noch boomenden Wellnessbewegung rücken. Obwohl auch die 500 Jahre alte Haṭha Yoga Pradīpikā bereits die Vorteile einer guten Yogapraxis preist; sie verspricht Erstaunliches: schlanker Körper, strahlendes Gesicht, klare Stimme, glänzende Augen, Freiheit von Krankheit …
Heute werden Fitnessstudios von vielen Menschen genutzt. Meist stehen gesundheitliche Aspekte, Fitness, Kondition und der Wunsch nach einem schönen Körper im Mittelpunkt.
Allerdings bleiben im Yoga solche Vorstellungen eingebettet in einen Kontext, der weit hinausgeht über das, was sich heute mit Begriffen wie Fitness oder Wellness verbindet.
Yoga macht deutlich, dass fit zu sein nicht automatisch heißt, sich auch glücklich zu fühlen. Und dass eine Wellness-Erfahrung keineswegs nachhaltige Zufriedenheit und schon gar nicht mehr innere Freiheit garantiert.
Andererseits lässt etwa das Yoga Sūtra keinen Zweifel daran, wie viel mühsamer innere Ausgeglichenheit für einen Menschen zu finden ist, wenn ihn eine Krankheit quält: Vyādhi – Krankheit nennt Patañjali dort als Erstes eines von vielen Hindernissen, die den Weg des Yogas erschweren können.
Noch etwas anderes ist in diesem Zusammenhang interessant: In seiner langen Geschichte hat sich der Yoga schon immer als nur eines von vielen Mitteln verstanden, wenn es um Gesundheit und Wohlbefinden ging.
So stand es nie außer Frage,
wie wichtig eine richtige Ernährung für die Gesundheit eines Menschen ist
wie entscheidend sich für unser Wohlbefinden und innere Balance eine stimmige Lebensordnung auswirkt: ausreichend Schlaf, genügend Erholung, angemessener Rhythmus …
Heute ist die Situation nicht anders. Der Yoga ist umgeben von vielen Angeboten und Methoden, denen es ebenfalls ernst damit ist, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu fördern oder über eine positive Erfahrung des eigenen Körpers mehr Wohlbefinden erreichen zu wollen.
Wie sich in dieser Vielfalt zurechtfinden?
Welche Entscheidungshilfen können YogalehrerInnen dabei geben?
Die meisten Menschen, die mit dem Bedürfnis nach Fitness zum Yoga kommen, sind vor allem an seinen Körperübungen, den Āsanas interessiert. Im Folgenden soll deshalb die Āsanapraxis auch ganz im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen.
Für ein unbeschwertes und erfolgreiches Unterrichten ist wenig so hinderlich wie das Arbeiten gegen Erwartungen, die nicht zu erfüllen sind. Diese Positionsbestimmung wird deshalb auch hier beginnen: WelcheErwartungen an eine Āsanapraxis im Zusammenhang von Fitness sind eigentlich angemessen, und vor allem auch: welchenicht?
Āsanapraxis kann kein Ausdauertraining ersetzen
Was ist Ausdauertraining? Das kann zum Beispiel Joggen, strammes Spazieren gehen, Walken, Radeln auf einem Ergometer, Schwimmen und vieles andere mehr sein.
Wer mehr erfahren möchte, was genauer unter Ausdauertraining aus physiologischer Sicht zu verstehen ist, findet im 2. Teil im Kapitel Wissenswertes 5 – Ausdauertraining weitere Informationen.
Wie kann nun einem Bedürfnis begegnet werden, das im Yoga nach den Wirkungen von Ausdauertraining sucht?
Reicht es nicht, wenn ich jeden Morgen meine 10 Sonnengrüße mache, um eine bessere Kondition zu bekommen?
Kann ich nicht statt mit einer halben Stunde Joggen das Gleiche mit intensiver Āsanapraxis erreichen?
Die Antwort ist beides Mal ein eindeutiges Nein. Die Gründe dafür sind einfach:
Die wesentlichen Wirkungen eines Ausdauertrainings entstehen dadurch, dass Herz und Kreislauf über eine längere Zeit und ohne Unterbrechung belastet werden. Die dafür nötige Belastungsintensität kann mit Āsanapraxis kaum erreicht werden. Die Anforderungen einer Āsanapraxis an den Kreislauf sind in der Regel viel zu gering, zu oft durch Pausen unterbrochen und können vor allem den Herzmuskel nicht so stimulieren wie bei einer angemessenen Ausdauerbelastung. Es sei denn, man würde alles aufgeben, was die besondere Qualität von Yoga ausmacht: zum Beispiel die Ruhe des Atems, die Achtsamkeit in den Bewegungen, die Zeit zur Körperwahrnehmung.
Theoretisch wäre noch vorstellbar, dass jemand 30 Minuten lang eine dynamische Āsanareihe so übt, dass der Puls stark genug ansteigt und ausreichend Schweiß rinnt: Das Ergebnis könnte sich aber selbst dann nicht mit dem eines Ausdauertrainings messen. Praktisch gesehen wäre eine solche Praxis nämlich niemandem zu empfehlen. Die Belastung für Gelenke und Rücken wäre viel höher als etwa beim Joggen. Die Bewegungsabläufe in Āsanareihen sind ungleich komplexer als bei jeder Art des Ausdauertrainings; es ist unmöglich, sie unter hoher körperlicher Belastung lange genug in der für ein sicheres Üben nötigen Aufmerksamkeit durchzuführen. Es besteht also ein großes Risiko, damit schließlich in ernsthafte gesundheitliche Probleme zu geraten.
Ausdauertraining muss darüber hinaus die aufgewendete Anstrengung möglichst fein dosieren können. Beim Joggen oder Walken zum Beispiel ist das sehr einfach, man läuft einfach ein klein wenig schneller oder langsamer. Āsanapraxis auf hohem Belastungsniveau kann in seinen Anforderungen für das Herz-Kreislauf-System nur sehr viel schwieriger reguliert werden. Wer also für sein Herz-Kreislauf-System nach den Wirkungen eines Ausdauertrainings sucht, braucht anderes als eine Yogapraxis.
Auch wenn es um die Steigerung der Kondition geht, wird man mit den Wirkungen von Āsanapraxis nicht zufrieden sein können.
Die Verbesserung der Kondition ist ein Prozess, in dem sich unter anderem der Stoffwechsel, die Durchblutung des Herzens und der Bewegungsmuskulatur zusammen mit einer Vielzahl vegetativer Regulationsmechanismen in eine ganz besondere Richtung hin verändern.
Dies ist nur durch eine regelmäßig wiederholte Dauerbelastung zu erreichen. Sicher kann eine regelmäßige Praxis körperlich fordernder Āsana die Kapazität für körperliche Belastungen erweitern. So beschreiben Menschen immer wieder, dass sie sich durch ihre Yogapraxis einer Anstrengung wie Wandern oder Treppensteigen besser gewachsen fühlen. Solche Erfahrungen bleiben aber in der Regel nur denjenigen vorbehalten, die Yogapraxis aus einer Situation extremen Bewegungsmangels heraus beginnen. Oder es sind Wirkungen, die einer besseren Körperbeherrschung und Beweglichkeit geschuldet sind. Wer beim sommerlichen Fahrradurlaub immer zuletzt am Berg war und dies bis zum nächsten Mal ändern möchte, braucht entschieden intensivere und vor allem andauernde Belastungen des Herz-Kreislauf-Systems, als das jede noch so anstrengende Āsanapraxis bieten könnte. Das gilt umso mehr, wenn jemand vorhat, den Kailash zu umrunden und sich für die Überwindung 5000 Meter hoher Pässe besser vorbereiten möchte.
Āsanapraxis für mehr Kraft
Natürlich gibt es Menschen, die mit Yoga mehr Kraft gewinnen möchten. Und so möchte man bestimmte Muskeln vergrößern und damit ihrem Körper ein aus ihrer Sicht besseres Aussehen verleihen wollen. Zweifellos kann ihnen Āsanapraxis dabei behilflich sein.
Wer allerdings mit Āsanapraxis Kraftgewinn oder Muskelwachstum erreichen will, muss dafür sehr gezielt und auf besondere Weise üben. Nicht jede Anstrengung eines Muskels – sei sie auch noch so schweißtreibend – ist Anlass, kräftiger zu werden oder zu wachsen.
Der Rücken
Mehr als für jeden anderen Bereich des Körpers bietet Āsanapraxis für die Kräftigung der Muskulatur des Rückens ausgesprochen differenzierte, sehr erfolgreiche und bewährte Mittel an. (Vielleicht deshalb, weil die Aufrichtung der Wirbelsäule dem Yoga immer ein wesentliches Anliegen war).
Um diese Mittel richtig einzusetzen, hilft das Verständnis davon, was eigentlich »Kräftigung« eines Muskels meint. Wenn vom Rücken die Rede ist, ist mit »kräftig« meistens so viel gemeint wie »gesund«. Das ist so nicht richtig.
Ein gesunder, also schmerzfreier und belastbarer Muskel zeichnet sich dadurch aus, dass er seine Kraft auf harmonische Weise entwickeln kann.
Harmonisch bedeutet übersetzt in die Sprache der Physiologie: Ökonomisch, und damit von den beteiligten Nerven gut koordiniert und im Stoffwechselgeschehen angemessen reguliert. Für das Anspannen der Rückenmuskulatur bedeutet das:
ein gesunder Rücken geht nur dort in eine Spannung, wo dies wirklich notwendig ist
seine Muskulatur kann über Stunden hinweg arbeiten, ohne zu ermüden
verlangt man von ihm eine besondere Anspannung, reagiert er kurzfristig und ohne Zögern
das Maß der Anspannung ist immer der gestellten Aufgabe angemessen: kein Zu Viel und kein Zu Wenig
Das verlangt ein komplexes Zusammenspiel vieler Prozesse:
auf der Ebene der Nerven, welche die Muskeln steuern
auf der Ebene der Bereitstellung von Energie, die der Muskel für seine Arbeit braucht
auf der Ebene der Muskelzellen und ihrem Stoffwechsel
auf der Ebene der Koordination von hunderten von Muskelgruppen, die zusammen den Rückenmuskel bilden
auf der Ebene der Dehnfähigkeit und Beweglichkeit der Bänder und Sehnen
Spielen alle diese Ebenen auf gute Weise zusammen, drückt sich das in größerer Leistungsfähigkeit und besserer Belastbarkeit aus. Der Rücken ist »gesund«. Man kann auch sagen, der Rücken hat mehr »Kraft«, was auch zutrifft: Es fällt ihm etwa leichter, aus der Bauchlage heraus den Oberkörper anzuheben.
Wachsen, also vergrößern, braucht der Muskel dafür aber in der Regel nicht, und wenn, dann nur unwesentlich. Einem schmerzenden Rücken mangelt es also in der Regel nicht an Muskelmasse. Was ihn krank macht, ist vielmehr ein ungünstiges Zusammenspiel aller an einer Muskelanspannung beteiligten Faktoren.
»Muskuläre Dysbalance« wird dieser Zustand in der wissenschaftlichen Fachsprache genannt.
Wer einer solchen Dysbalance vorbeugen oder schon bestehenden chronischen Verspannungen oder Schmerzen in der Rückenmuskulatur entgegenarbeiten will, kann dies mit einer entsprechenden Āsanapraxis ausgesprochen wirksam tun. Dafür braucht es allerdings eine konsequente Aktivierung der Rückenmuskulatur. Übungen wie bhujaṅgāsana, śalabhāsana oder auch vīrabhadrāsana können hier guten Dienst leisten. Gerade die Rückbeugen aus der Bauchlage (bhujaṅgāsana und śalabhāsana) sind in ihrer Wirkung weitreichend. Sie können die Rückenmuskulatur »kräftigen« im Sinne einer Harmonisierung ihrer Funktion: Ihre Durchblutung und innermuskuläre Koordination wird verbessert, ihr Stoffwechsel optimiert, das Zusammenspiel ihrer zahlreichen kleinsten Muskelgruppen verfeinert. Das macht den Rücken belastungsfähiger, verhindert oder mindert Verspannungen und hilft so, das Risiko von Rückenschmerzen zu senken. Um solche Wirkungen zu erreichen, muss für die Āsanapraxis allerdings einiges beachtet werden. Vor allem, dass es ausschließlich dynamisches Üben ist, das einen Rücken kräftigt.
Dynamisch bedeutet: das Āsana langsam einzunehmen und es langsam wieder aufzulösen (Abb. 2).
Jemand mit normal entwickelter Atemlänge übt auch dann noch dynamisch, wenn die Endposition für einen Atemzug gehalten wird (Abb. 3); Beispiele a und b. Alles, was darüber hinaus geht, bringt keinen Zuwachs an Wirkung. Im Gegenteil. Bleibt der Muskel länger angespannt, verschlechtert sich seine Stoffwechselsituation rasch und das Üben wird mehr oder weniger wirkungslos. Jedenfalls dann, wenn es um die Kräftigung, die Gesunderhaltung oder Gesundung der Muskulatur geht.
Durch Bewegungen insbesondere der Arme kann ein statisches Halten »dynamisiert« werden: Verschiedene Muskelgruppen müssen jetzt die notwendige Spannung unterschiedlich lange und unterschiedlich intensiv aufbauen (Beispiele c und d). Ein Halten des Āsanas über mehr als zwei Atemzüge hinweg wird aber auch in solchen Varianten die Wirksamkeit des Übens für ein Kräftigen der Muskulatur nur schmälern.
So kann der Muskel in der Statik allenfalls zeigen, was er kann. Zu lernen gibt es für ihn dabei wenig.
Am wichtigsten ist:
eine ausreichende Anzahl an Wiederholungen
die Regelmäßigkeit der entsprechenden Übungen
eine angemessene intensive Anforderung
Für einen schmerzfreien Rücken sind zum Beispiel vier Wiederholungen von bhujaṅgāsana sicher zu wenig, um langfristige und stabilisierende Wirkungen zu erreichen. Ebenso genügt ein einmaliges Üben pro Woche nicht aus, um einen Rücken wirklich zu kräftigen.
Die Beine
Nachdem beschrieben wurde, was es braucht, um Muskeln zu kräftigen, wird verständlich, dass manche Yogaversprechen nicht realistisch sind. Wenn z. B. behauptet wird: Bei einer statischen Praxis von vīrabhadrāsana werden die Beinmuskeln gekräftigt.
Wenn jemand durch die wiederholte Praxis von vīrabhadrāsana immer stabiler in der Position steht, dann hat das nichts mit einem Kraftzuwachs in der Beinmuskulatur zu tun. Vielmehr ist die erlangte Stabilität der Ausdruck davon, dass diese besondere Haltung besser beherrscht wird. Dies geschieht wesentlich durch eine Gewöhnung des Gleichgewichtssinns an diese Körperstellung und eine Verbesserung des Zusammenspiels der vielen an dieser Haltung beteiligten Muskelgruppen vom Fuß bis zum Nacken.
Der Vorstellung, man könne die Stabilität einer Haltung direkt mit Muskelkraft in Verbindung bringen, liegt ein falsches Verständnis von Muskelfunktion zugrunde. Stabilität in einer Haltung ist kein Ausdruck besonders großer Muskelkraft. Vielmehr sind es oft gerade die kräftigsten Muskeln, die bei einer statischen Āsanapraxis schnell ins Zittern geraten und instabil werden. Vor allem dann, wenn sie zum Halten eines Āsanas etwas gedehnt werden müssen. Das zeigt sich im vīrabhadrāsana zum Beispiel am nach hinten gestellten Bein oder im ūrdhva prasṛta pādāsana, wenn die Beine nach oben gestreckt werden sollen. Gerade bei sehr muskulären und kräftigen Beinen sind da schnell ein Zittern und Wackeln zu beobachten. Es rührt daher, dass die entsprechenden Muskeln sich gegen ihre Dehnung wehren, indem sie eine starke Gegenspannung aufbauen. Dieser Konflikt zwischen dem sehr hohen Tonus (Spannungsgrad) der Muskeln und ihrer starken Dehnung führt schließlich zu unkontrolliertem Zittern und Instabilität der Übung. Nicht das Ausmaß an Kraft, sondern die Qualität der Koordination sorgt für Stabilität im Āsana. Das dafür notwendige Gefühl für Gleichgewicht lässt sich durch wiederholtes Praktizieren einer bestimmten Übung einfach trainieren; mehr Muskelkraft ist dafür nicht entscheidend.
In einer Haltung, wie vīrabhadrāsana stabil zu stehen, hat nichts mit besonders ausgebildeter Muskelkraft zu tun (Abb. 4). Auch wird ein statisches Üben dieser Haltung kaum eine wesentliche Vergrößerung der Beinkraft bewirken können. Ein stabilerer Stand in diesem Āsana ist vielmehr die Folge einer Verbesserung der Koordination und des Zusammenspiels von Gleichgewichtssinn und Bewegungsmuskulatur.
Instabilität und Zittern der Beine sind in einer Übung wie ūrdhva prasṛta pādāsana oft gerade bei sehr kräftigen Beinmuskeln zu beobachten (Abb. 5).
Wer die Beine wirklich kräftigen will, muss sie unter Last dynamisch fordern. Das wäre auch in einem dynamisch geübten vīrabhadrāsana möglich, aber nur, wenn dabei darauf geachtet wird, das vordere Bein möglichst stark im Knie zu beugen. Nur so wird nämlich das Körpergewicht für die vorderen Beinmuskeln zu einem genügend großen Widerstand. Ausgesprochen gut geeignet für eine Kräftigung der Beine ist ardha utkaṭāsana mit seinen vielen Varianten. Aber Vorsicht: Auch hier werden nicht nur Beinmuskeln gekräftigt (wesentlich die vorderen), sondern auch die Knie stark belastet. Vor allem, wenn das Becken sehr tief gesenkt wird. Tiefe Kniebeugen, wie sie früher sehr beliebt waren, sind heute auch aus der Gymnastik verbannt. Sie bringen den Knien erheblich mehr Schaden, als sie den Beinmuskeln nutzen. Auch hier gilt: So wirkungsvoll das anstrengende Verweilen im ardha utkaṭāsana auch erscheinen mag – wer damit mehr Kraft gewinnen will, muss die Übung dynamisch und nicht statisch ausführen.
Soll vīrabhadrāsana die Kräftigung der Beinmuskeln fördern, muss es 1. dynamisch und 2. so geübt werden, dass dabei das vordere Knie weit nach vorn geschoben wird. Nur so trägt das Bein genug Gewicht und kann eine zum Training ausreichende Spannung aufbauen. Aber Vorsicht: Eine solche Intensivierung des Āsanas stellt dann auch große Anforderungen an das gebeugte Knie (Abb. 6).
Zum Kräftigen vor allem der vorderen Beinmuskeln ist ardha utkaṭāsana in dynamischer Praxis gut geeignet; Vorsicht, auch hier werden die Knie stark belastet (Abb. 7).
Die Arme
Die Möglichkeiten, mit Āsanas die Armmuskeln zu kräftigen, sind begrenzt. Gerade für den Bizeps gibt es kein Āsana, dessen Praxis wirklich Erfolg versprechend wäre. Anders die Rückseite der Armmuskeln: Der Weg aus der Bauchlage weg vom Boden in das catuśpāda dandāsana (Abb. 8) trainiert genau diesen Bereich der Arme. Diese Bewegung ist keine andere als der bekannte Liegestütz. Das Körpergewicht ist allemal groß genug, um genügend Spannung in den Armen aufzubauen und die dabei geforderten Muskeln auch wachsen zu lassen. Betroffen davon sind neben den rückwärtigen Oberarmmuskeln vor allem jene Muskeln, die vom Schultergelenk zur Brust ziehen. Wir dürfen aber auch hier nicht vergessen: Soll sich die Muskulatur tatsächlich verändern, braucht es eine genügende Anzahl von Wiederholungen der Übung selbst und Regelmäßigkeit im Üben.
Der Bauch
Hier liegen die Dinge einfacher. Die entsprechenden Übungen sind vielen vertraut. Als Āsanas kommen Varianten von navāsana, (Boot) oder ūrdhva prasṛta pādāsana geübt werden.
Zur Kräftigung der Bauchmuskeln eignen sich Varianten von navāsana (Abb. 9a) und ūrdhva prasṛta pādāsana (Abb. 9b).
Einige Varianten des Weges vom Liegen hin zu navāsana ähneln dem, was Fitnesstreibende als Sit-up kennen. In der Fitness-Szene selbst wird die Frage einer richtigen Praxis dieser Sit-ups allerdings noch immer diskutiert. Denn ein vollständiges Aufsitzen vom Liegen bedeutet für den unteren Rücken (einschließlich der Bandscheiben) eine sehr hohe, oft zu hohe Belastung. Deshalb wird inzwischen empfohlen, den Oberkörper nur so weit vom Boden abzuheben, dass der untere Rücken noch im Kontakt zum Boden bleibt.
Sit-up, die einfachste Art, die Bauchmuskeln zu kräftigen. Wird dabei der Rumpf vom Boden abgehoben, gerät die Muskulatur des unteren Rückens in eine hohe Spannung und es entsteht ein hoher Druck auf die Bandscheiben (Abb. 10).
Effektiv ist auch die aus der Āsanapraxis gut bekannte Variante von ūrdhva prasṛta pādāsana, in der die Beine gestreckt, angehoben und gesenkt werden (auch hier nur dynamisch, die Belastung für den unteren Rücken bleibt erheblich).
Hinderlich für realistische Erwartungen an ein Training der Bauchmuskeln erweist sich immer wieder ein weitverbreitetes Missverständnis. Es ist der falsche Glaube, ein Training der Bauchmuskeln wäre ganz besonders gut geeignet, gerade die Fettpolster im Bauchbereich zu erreichen und schmelzen zu lassen. Fettpolster stehen aber in ihrem Stoffwechsel in keinerlei direktem Zusammenhang zu den Muskeln, denen sie aufliegen. Das gilt für den Bauch ebenso wie für die Beine oder das Gesäß. Eine Kräftigung der Bauchmuskeln an sich wird deshalb kein Gramm Bauchfett abtragen. Vielleicht ist optisch ein Gewinn erreicht, weil der Bauch insgesamt straffer ist, aber das Fett kümmert sich nicht um die Arbeit der Muskeln von nebenan. Fettabbau geschieht allein über zentral regulierte Stoffwechselprozesse. Wenn also das Bauchfett weniger wird, dann deshalb, weil der Körper begonnen hat, sein Gesamtkörperfett abzubauen. In welchem Bereich er damit zuerst anfängt, hat sich bei genauerer Betrachtung leider als recht fest programmiert erwiesen, und es ist leider nicht der Bauch. Keine noch so raffinierte Technik kann dieses individuelle Muster wesentlich beeinflussen.
Also: Bauchmuskeltraining strafft Muskeln, baut aber kein Fett ab. Wer das möchte, muss aufs Fahrrad oder in den Park.
Āsanas zum Muskelaufbau?
Offensichtlich eignen sich manche Āsanavariationen tatsächlich auch dafür, Muskeln zu kräftigen oder gar wachsen zu lassen. Allerdings müssen sie dann auch in angemessener Weise praktiziert werden. Nicht nur ein oder zweimal, sondern so oft, dass die getane Arbeit wirklich zu spüren ist. Und wer Muskeln wachsen sehen will, muss beim Üben sogar bis zu einer gewissen Erschöpfung gehen. Die wichtigste Frage wird nun sein:
Passt ein solches Üben zu einer vorgeschlagenen Āsanapraxis?
Oder wird das Üben zum Fremdkörper, zur mechanischen Gymnastik zwischen ganz andersgearteten Yogaübungen?
Nur ein geschicktes Vorgehen kann verhindern, dass die Nutzung von Āsanas zum Krafttraining nicht genau das verlieren lässt, was Yogapraxis so wertvoll macht. Sehr einfach ist dies bei allen Übungen zur Stärkung des Rückens. Das liegt wohl daran, dass diese Āsanas die Rückenkräftigung als eines ihrer wesentlichen Ziele beinhalten. Eine wirkungsvolle Arbeit an der Rückenmuskulatur erreicht man mit Übungen wie bhujaṅgāsana oder śalabhāsana ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Anders sieht es aus, wenn jemand durch catuśpāda dandāsana, den Liegestütz, seine Arm- und Brustmuskulatur wachsen lassen will. Wo bleibt der gut geführte und langsame Atem, wo die Achtsamkeit? Nicht dass es unmöglich wäre, aber es verlangt einen sehr besonderen Umgang im Üben. Und schließlich gibt es noch eines zu bedenken: Viele unserer Bewegungsmuskeln können mit Yogaübungen nicht wirkungsvoll genug erreicht werden, da es um ihre Kräftigung gehen soll. Noch mehr gilt dies, wenn ein Muskelzuwachs gewünscht wird. Um falschen Erwartungen vorzubeugen, sollten YogalehrerInnen dies auch vermitteln. Sie sollten deutlich machen, dass es nicht genügt, wenn sich nach einer Praxis das Gefühl einstellt, man hat sich ordentlich angestrengt. Das ist mit Āsana ja sehr einfach zu bewerkstelligen. Es braucht mehr. Dieses Mehr ist oft einfacher zu erreichen, wenn jemand neben seiner Yogapraxis zweimal in der Woche für eine viertel Stunde mit ein paar Hanteln trainiert oder in ein gutes Fitness-Studio geht. Der ungünstigste Fall: Eine YogalehrerIn versucht ohne große innere Zustimmung und im Gefühl, viel Kompromisse zu machen, den Bedürfnissen von TeilnehmerInnen nach Muskelaufbau wenigstens etwas entgegenzukommen. In Wirklichkeit schafft und pflegt sie aber nur eine Illusion, die ihre Teilnehmer daran hindern kann, das Gewünschte auf einfache und effektive Weise anzugehen und zu erreichen.
Ein forderndes Vinyāsa für navāsana, das Boot. Es zeigt, dass in einer dynamischen Praxis dieses Āsanas den Bauchmuskeln viel Arbeit abverlangt werden kann (Abb. 11). In der gewählten Form schafft es viel Druck und Spannung im Lendenbereich; dynamisch geübt erheblich mehr als in einer statischen Praxis.
Im Unterschied zu navāsana (Abb. 11) kann ūrdhva prasṛta pādāsana sehr viel einfacher dosiert werden (Abb. 12). Es erweist sich für eine Aktivierung der Bauchmuskeln als sehr wirkungsvoll. Nur für Wenige sinnvoll ist die Variante (Abb. 12a). Besser variieren und anpassen lassen sich Variationen wie in (Abb. 12b) oder (Abb. 12c).
Tradition
Auch ein Blick in die Tradition des Yoga selbst hilft, in diesen Fragen mehr Klarheit zu finden. Es gibt dort eine Vermittlung von Āsanapraxis, in welcher der Fitnessaspekt einen großen Raum einnimmt.
Sṛṣti Krama wird jene Lebensspanne eines Menschen genannt, in der Wachstum, körperliche Entwicklung und Kräftigung ganz im Vordergrund stehen: Kindheit und Jugend, wir würden heute sagen, die Schulzeit. Die Praxis, die früher für diese Zeit vorgeschlagen wurde, unterscheidet sich grundsätzlich von der für Erwachsene (Sthiti Krama) oder jemandem, der mit einem gesundheitlichen Problem zum Yoga kommt (Cikitsa krama).
Yoga für das sṛṣti krama: Früher wurden Āsanas auch dafür benutzt, Kinder und Jugendliche in ihrer körperlichen Entwicklung zu fördern. Die dafür gewählten Āsanas stellten hohe Anforderungen nicht nur an die Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit, sondern auch an die Kraft. Der Bildausschnitt zeigt T. Krishnamacharya mit einigen seiner Schüler in seiner Yogaschule im Palast von Mysore im Jahre 1934 (Abb. 13).
Im Mittelpunkt des sṛṣti krama stehen körperlich sehr fordernde Übungen und viel Kraft verlangende dynamische Abfolgen von Āsanas. Solches Üben schafft bei Erwachsenen leider oft mehr Probleme, als dass es positive Wirkungen zeigt.
Heutzutage ist allerdings auch mit Kindern und Jugendlichen oft kaum noch möglich, was vor hundert Jahren gängiger Standard einer Āsanapraxis für junge Menschen war. Zu verbreitet sind Haltungsschäden, chronische Verspannungen, Übergewicht und Unbeweglichkeit schon im Schulalter. Sind allerdings die Voraussetzungen gegeben, lässt sich mit Kindern und Jugendlichen sehr wohl eine Āsanapraxis erarbeiten, die neben Beweglichkeit, Koordinationsfähigkeit und Körperbewusstsein auch ein hohes Maß an Kraftzuwachs und Muskelentwicklung ermöglicht.
Fit durch Yoga
So schwierig für den Yoga der Umgang mit Bedürfnissen nach Fitness im Sinne von Bodybuilding oder Bodyshaping auch sein mag, so einfach ist es, den Wunsch nach etwas zu befriedigen, was heute unter dem Begriff »Wellness« mehr oder weniger seriös vermarktet wird.
Es geht um die Erfahrung körperlichen Wohlbefindens. Eine differenzierte und positive Körpererfahrung gilt im Yoga als wichtiger Ausgangspunkt für die persönliche Entwicklung. Die unterschiedlichsten Wirkungen von Āsanapraxis haben körperliches Wohlbefinden im Üben zur Voraussetzung. Man muss nun »Wellness« nicht gleich mit dem Sanskrit-Begriff »sukha« (angenehm, leicht) übersetzen, um die Nähe zum Yoga zu untermauern. Aber es ist in der Tat die Erfahrung einer Leichtigkeit des Körpers, nach der das Yoga Sūtra für die Praxis von Āsana verlangt. Wenn es also um eine gute Erfahrung mit dem eigenen Körper gehen soll, dann kann dafür aus dem großen Schatz an Konzepten und Übungen geschöpft werden, den Yoga in Form von Āsanas, Prāṇāyāma und Meditationstechniken zu bieten hat.
Die Übungsprinzipien des Yoga sind mehr als viele andere Übungsweisen geeignet, jemandem die Erfahrung von körperlichem und ganzheitlichem Wohlbefinden zu vermitteln. Und dies unabhängig von komplizierten Gerätschaften, aufwendigen Techniken oder besonderer Umgebung. Ein einigermaßen ruhiger Platz, groß genug für eine schmale Matte, eine kompetente Anleitung und der Wille, selbst etwas für sich machen zu wollen, reichen aus.
Natürlich macht auch Yoga fit, körperlich ebenso wie mental. Fit für den Alltag, wie er auch aussehen mag. Auch hier gilt: Kaum eine Methode verfügt dabei über einen so großen und differenzierten Schatz an Übungen wie der Yoga.
Allerdings erreicht Yoga seine Wirkung nicht über die Beschleunigung des Herzschlags oder eine Veränderung des Fettstoffwechsels.
In der kühlen Sprache der Wissenschaft geht es beim Fit-Werden um die Verbesserung muskulärer Koordination und Kraftentwicklung, um größere Beweglichkeit, um verbesserte Körperwahrnehmung und um positive Anregung vegetativer Regulationsmechanismen.
Jener Bereich, in dem der Ursprung allen Yogaübens liegt, ist damit aber nur sehr bedingt angesprochen. Im Yoga geht es zentral immer um ein besseres Verständnis der eigenen Person. Im Zusammenhang mit Fitness berührt diese Frage neben der schon erwähnten besseren Körperwahrnehmung vor allem Themen wie:
Was tut mir wirklich gut?
Wo sind meine Grenzen?
Welche Ziele sind mir angemessen?
Was motiviert mich, wie viel davon selbstbestimmt ist, wie viel fremdbestimmt?
Wie gehe ich um mit der Wahrheit, dass ich nicht ewig jung bleibe?
Was kann ich tun, wenn mich körperliche Einschränkungen bedrücken?
Wie kann ich Veränderungen gegenüber offen bleiben?
Diese Fragen lassen sich niemandem aufdrängen. Aber ein gutes Yogaangebot kann dafür sorgen, das deutlich wird: Yoga bietet Konzepte und Handlungsmöglichkeiten an, die bei der Auseinandersetzung mit solchen Themen eine Hilfe werden können. Wer nach griffigen Schlagworten sucht, könnte es vielleicht so formulieren – Yoga macht fit und selbstbewusst.
Yoga für Fitness-Treibende
Einseitige Belastungen können zu körperlichem Ungleichgewicht führen. Das gilt für das andauernde Sitzen am PC genauso wie für manches Fitnesstraining. Und so wie Yogapraxis einer Fehlbelastung am Arbeitsplatz entgegenwirken kann, vermag es auch negative Nebenwirkungen von Fitnesstraining zu mindern. Dazu zwei Beispiele:
Vielen tut ein regelmäßiges Ausdauertraining durch Joggen gut. Dennoch sind sowohl der untere Rücken als auch die Knie dabei ganz besonderen Belastungen ausgesetzt. Bei entsprechender Veranlagung oder falschem Training kann dies ernsthafte Probleme verursachen. Untersuchungen unter Menschen, die ein regelmäßiges Lauftraining absolvieren, weisen darauf hin, dass sich durch dieses Training vermehrt Rückenschmerzen einstellen. Ebenso geraten nicht selten die Knie durch die besonderen Anforderungen beim Laufen in Schwierigkeiten. Natürlich kann ein Wechsel des Trainings, zum Beispiel vom Joggen zum strammen Gehen (Walking), Abhilfe schaffen. Oder eine Verbesserung der Lauftechnik. Daneben kann eine gezielte Āsanapraxis einen wichtigen Beitrag leisten, einem Menschen etwas zu erhalten, was Spaß macht und seine Gesundheit fördert. Sowohl bei der Stabilisierung eines labilen Rückens als auch bei einer Harmonisierung der Kniegelenke kann Yoga gute Dienste tun.
Aber auch wer ins Fitness-Studio geht, kann von Āsanapraxis profitieren. Dort an Maschinen intensiv am Muskelwachstum zu arbeiten, kann auch Negatives bewirken. Neben dem Entwickeln von einem Übermaß an Spannung wird auch die Körperhaltung manchmal in Mitleidenschaft gezogen. Viele der Übungen an schweren Gewichten und Maschinen haben den Nachteil, dass sie eine Krümmung des oberen Rückens begünstigen. Auf Dauer kann dies zu einer deutlich sichtbaren Fehlhaltung führen. Eine regelmäßige Praxis entsprechender Āsanas kann dagegen steuern. Und auch hier lehrt die Erfahrung, dass der Einfluss von Yoga schnell über das Körperliche hinaus gehen kann. Das zeigt sich dann etwa in einer größeren Achtsamkeit dem eigenen Körper gegenüber und Respekt gegenüber den erkannten eigenen Grenzen.
Wer Yoga unterrichtet, kann immer neu frei entscheiden, in welche Nähe zu Fitness und Wellness sie oder er sich begeben will. Für eine große Mehrheit der TeilnehmerInnen an Yogakursen gilt, dass ihr Verhältnis zu Fitness positiv ist und sich mit ihrer Entscheidung für Yoga auch Wünsche in diese Richtung verbinden. Klarheit über die Möglichkeiten und Grenzen von Yoga kann da für beide Seiten nur von Nutzen sein. ▼