Atmen mit Tönen
Eine ganz besondere Rolle nimmt das Tönen ein. Es ist für die Arbeit mit Schwangeren essenziell.
Hilfreich sind offene Töne wie A, Ma, Ha; aber auch doppelte Silben wie etwa MaMo, Mahaam, Aahaam, Ma Maa etc. unterstützen den Ausatem, oft auch verbunden mit dem Lenken des Einatmens bis tief in den Bauch – siehe Kapitel Atemübung mit tiefer Bauchatmung.
Lernen die Frauen im geburtsvorbereitenden Kurs ein möglichst großes Spektrum von Tönen kennen, so können sie Erfahrungen damit sammeln und im Prozess der stundenlangen Geburt dann ausprobieren, welche Silben und Töne für sie jeweils passend sind.
Die Vorlieben können sich dabei ändern: wurde in der Schwangerschaft das einfache Summen als besonders hilfreich erfahren, kann die Frau unter der Geburt entdecken, dass sie mit dem Tönen von Maa oder Mahaa besser zurechtkommt. Oder auch umgekehrt. Kreative Variationen in die Atemübungen bringen auch verschiedene Lautstärken oder ein An- und wieder Abschwellen der Lautstärke. Sie zeigen den Frauen Möglichkeiten auf, wie sie ihren Atem im Geburtsprozess mit den Wellen der Wehen im Einklang anwenden können.
In den Übungen animiere ich die Frauen darin, wirklich laut zu sein, indem ich sie bestärke und manchmal auch mit ihnen töne. Wer die Frauen bei der Geburt begleitet, kann ebenfalls die hilfreiche Rolle übernehmen, die Gebärende an das Tönen zu erinnern, falls sie diese Anbindung an den Atem unter der Anspannung und der Arbeit der Geburt verliert.
Auch das Kind profitiert vom Üben mit Tönen.
Stellt der Atem immer eine unbewusste zentrale Verbindung zwischen Mutter und Kind her, so hört das Kind im Bauch vom vierten Monat an bereits die Töne, die die Mutter übt, und verbindet diese Laute mit einer Gestimmtheit innerer Ruhe der Mutter.
Mit dem Vorschlag des Tönens treffe ich bei vielen Schwangeren zunächst auf Zurückhaltung und Scheu. Erklärungen und wiederholtes Üben helfen, sie damit vertraut zu machen und das Benutzen und Hören der eigenen Stimme als normal zu betrachten.
Frauen, die keinen Zugang zum hörbaren Tönen finden, unterstütze ich mit dem Vorschlag, mental zu tönen oder biete ihnen als Alternative eine der erwähnten Techniken an.
Obwohl die Natur über hormonelle Umstellungen in der Schwangerschaft gut für die Sauerstoffversorgung des Kindes sorgt (Atemfrequenz, Atemzugvolumen und alveoläre Ventilation nehmen zu, der Atemwegswiderstand nimmt hormonbedingt ab), fällt im Erleben der Frauen vor allem die deutliche Verkleinerung des Atemraums durch das nach oben gedrängte Zwerchfell ins Gewicht. Der Atemraum einer Schwangeren ist durch das Kind auf natürliche Art eingeschränkt. Deshalb habe ich beim Erlernen eines hilfreichen Atems beide, Aus- und Einatmung, im Blick. Der Ausatem ist durch seine harmonisierende und entspannende Wirkung ein wichtiges Element für Schwangerschaft und Geburt.
Was ist eine Geburt anderes als das größte Loslassen überhaupt!
Gleichwohl benötigt auch der Einatem Übung. Die Frauen können lernen, einen vertieften Einatem gefühlt nach unten bis zum Beckenboden zu führen und diesen so mithilfe des Atems sanft nach unten zu dehnen – für die Geburt ein hilfreicher Fokus. Und wenn es im letzten Abschnitt der Geburt darum geht, das Kind nach unten zu schieben, kann der Einatem eine kraftvolle Rolle spielen: Er unterstützt das Kind auf seinem Weg in die Welt.
Beim Unterrichten sind immer wieder individuelle Hinweise nötig. Dazu gehe ich von einer Übenden zur anderen, beobachte ihren Atem und zeige, wo und wie der Atem freier gestalten werden kann. Auch spreche ich an, dass die Frauen unter der Geburt und den Wehen sehr laut sein dürfen, ja sogar sollen.
Der Atem ist also eine Kraft, die ihnen in Verbindung mit den Wellen im Geburtsverlauf zur Verfügung steht und genutzt werden kann – in den einzelnen Geburtsphasen auf unterschiedliche Art und Weise. Ein guter, also vollständiger und ruhiger Atem macht die Gebärenden stark, der Kraft der Wehe begegnen zu können. So können sie den Werdeschmerz besser annehmen.