Ein persönlicher Bericht von Stefanie Hörig

Stefanie Hörig

Der Bericht ist ein Plädoyer für einen qualifizierten Yogaunterricht zur Geburtsvorbereitung. Er zeigt Hintergründe auf und bietet viele praktische Hinweise und soll motivieren, die wichtige Aufgabe zu erlernen, werdenden Müttern die Möglichkeit für einen achtsamen und bewussten Umgang mit sich selbst zu eröffnen, ihre Ressourcen zu erfahren und Vertrauen in die eigenen Kräfte zu stärken.

Ein persönlicher Bericht von Stefanie Hörig

Stefanie Hörig

Der Bericht ist ein Plädoyer für einen qualifizierten Yogaunterricht zur Geburtsvorbereitung. Er zeigt Hintergründe auf und bietet viele praktische Hinweise und soll motivieren, die wichtige Aufgabe zu erlernen, werdenden Müttern die Möglichkeit für einen achtsamen und bewussten Umgang mit sich selbst zu eröffnen, ihre Ressourcen zu erfahren und Vertrauen in die eigenen Kräfte zu stärken.

Ein persönlicher Bericht von Stefanie Hörig

Stefanie Hörig

Der Bericht ist ein Plädoyer für einen qualifizierten Yogaunterricht zur Geburtsvorbereitung. Er zeigt Hintergründe auf und bietet viele praktische Hinweise und soll motivieren, die wichtige Aufgabe zu erlernen, werdenden Müttern die Möglichkeit für einen achtsamen und bewussten Umgang mit sich selbst zu eröffnen, ihre Ressourcen zu erfahren und Vertrauen in die eigenen Kräfte zu stärken.

Die Zeit der Schwangerschaft

Es ist eine ganz besondere Phase im Leben jeder Frau, die große Veränderungen für die Gegenwart und Zukunft mit sich bringt. Wenn wir als Yogalehrer:innen Frauen auf diesem Wegabschnitt begleiten dürfen, fällt uns eine Aufgabe zu, die uns auf verschiedenen Ebenen fordert. Mit individuellem Anpassen und Verwenden von vielfältigen Übungsvariationen lässt sie sich kreativ und facettenreich bewältigen.

Wir können zwei Blickrichtungen auf den Yogaunterricht für Schwangere einnehmen:

  • Das Ziel ist, die Frauen in ihrer Beweglichkeit und Krafterhaltung zu unterstützen, so können wir ihnen dieses Anliegen über die Auswahl der passenden Āsana erfüllen. Damit bewegen wir uns eher in Richtung der Schwangerschaftsgymnastik.
  • Die zweite Blickrichtung geht jedoch weit darüber hinaus: Wir nehmen die Geburt als Ziel unserer Begleitung und Ausgestaltung unseres Yoga-Unterrichts in den Fokus. Dann werden die Techniken und Konzepte des Yoga zu Werkzeugen, die die schwangeren Frauen erlernen, damit sie ihnen im Prozess der Geburt zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist ganz besonders der Atem zu nennen. Bewegung und Beweglichkeit sind ein weiteres Element. Und als drittes, bedeutungsvolles Element wird das Erlernen mentaler Ausrichtung, das Üben von Achtsamkeit zu einer großen Unterstützung bei der Geburt.

Die jungen Frauen, die in einen Yogakurs für Schwangere kommen, bilden eine besondere Gruppe. Sie sind meist zwischen 20 und 40 Jahren alt, stehen oft im Berufsleben, manche haben schon ein oder mehrere Kinder. Die meisten von ihnen haben noch keinerlei Erfahrung mit Yoga, selten mit Meditation oder Entspannungstechniken. Die Information, dass Yoga in der Schwangerschaft guttut und für die Geburt sehr hilfreich sein kann, haben sie entweder aus den Medien, von Empfehlungen ihrer Freundinnen oder sie werden von einer der Hebammen, mit denen Yogalehrende zusammenarbeiten, auf die Möglichkeit und Vorzüge des Yoga als Geburtsvorbereitung hingewiesen.

Für die Mehrheit der Schwangeren ist dies eine sensible Zeit. Sie sind voller Vorfreude auf das Kind.

In Gesprächen erfahre ich aber auch oft, dass sich zu der großen Freude Sorgen und Zweifel gesellen, innere Unruhe und Ängste, wie sie mit den großen Veränderungen im eigenen Leben umgehen werden können. Alle Frauen sind sehr offen für hilfreiche Angebote und dankbar für Aufklärung und Vorschläge, die sie bei der Geburt anwenden können. Vieles, was sie im Yogaunterricht kennenlernen, fällt ihnen anfangs schwer. Erklärungen zu meinen konkreten Vorschlägen und die Vermittlung einiger Konzepte des Yoga spornen sie aber immer an, dranzubleiben.

Die größte Motivation jedoch entsteht, wenn sie durch das Üben von Achtsamkeit, des sich Spürens und bewusst Wahrnehmens oder das Führen des Atems merken, dass diese Fähigkeiten ihnen bei der Geburt ihres Kindes zur Seite stehen könnten. Die Erfahrungen aus dem Kurs eröffnen Ihnen aber auch Perspektiven, die sich nicht auf Schwangerschaft und Geburt beschränken:

  • innere Ruhe
  • sich spüren
  • Zeit für sich haben
  • wahrnehmen, was gerade geschieht

An dieses positive Erleben erinnern sich viele Frauen auch nach der Entbindung und greifen deshalb nach einiger Zeit die Yogapraxis wieder auf. Sie wissen nun, dass sie selbst etwas für sich tun können und erfahren so etwas sehr Wichtiges für ihr ganzes Leben: eine Zunahme von Selbstwirksamkeit.

Die Rolle des Atems – ein Anker

Als ein sehr hilfreiches Werkzeug für die Geburt hat sich der Atem erwiesen. Die Atemarbeit als wiederkehrendes Element in den Unterricht zu integrieren, ist deshalb ein zentrales Anliegen der Yoga-Vorbereitung auf die Geburt. Untersuchungen zu Yoga im Stressmanagement belegen, dass langsames Atmen dort eine bedeutende Rolle spielen kann. Das natürliche – aber selten sich spontan einstellende – unangestrengte Atemverhältnis, in welchem der Ausatem um etwa ein Drittel länger ist als der Einatem, genügt schon, eine erhöhte vegetative Erregung zu reduzieren.

In der Vorbereitung auf den hohen Stress bei der Geburt, der sich sowohl körperlich in Verkrampfung als auch emotional in Angst und Panik niederschlägt, spielt die Fähigkeit der Atembeeinflussung in diesem Sinne also eine große Rolle.

In der Geburtsvorbereitung dient der Atem als Anker

Er dient einerseits der Ausrichtung, andererseits ist er als Quelle der Kraft immer da, als eine zuverlässige Stütze für den Umgang mit den Wehen, als Vertrauter. Die Frauen können immer auf ihn zurückgreifen.

Atem lehren

Ein gutes Fundament für das Verständnis und die Anwendung von Atemübungen kann bei den Schwangeren durch Erklärungen und Erfahrung gelegt werden. Sehr hilfreich ist es auch, dies mit Berichten von Erfahrungen anderer Schwangerer von deren Geburt zu ergänzen.

Da die meisten Teilnehmerinnen keine Erfahrung mit Atemarbeit haben, ist ein behutsames Vorgehen beim Einführen von Atemübungen angebracht. Zurückhaltung bezüglich der Atemarbeit wäre jedoch ebenso fehl am Platz wie Eile. Was es braucht, ist ein gut geplantes und angemessenes schrittweises Vorgehen, damit auch mit dem Atem unerfahrene Frauen einen Zugang dazu finden.

Zunächst geht es vorwiegend darum, den Frauen die Atemqualität zu vermitteln, dass es also um einen ruhigen, möglichst gleichmäßigen Fluss und nicht um einen maximal langen oder tiefen Atem geht. Dazu ist das Angebot von Pausen im Verlauf der Atemübungen essenziell, wann immer ein Bedürfnis danach besteht. Dies ermöglicht, den Atem ohne Druck zu führen. Techniken, die den Atem gleichförmiger machen und so die Qualität verbessern, gibt es im Yoga viele. Besonders bewährt hat sich für die Geburtsvorbereitung:

  • die Regulierung an der Kehle mit der Ujjayī-Atmung
  • das Summen bei der Ausatmung – bramharī
  • das Abbremsen des Ausatmens mit der sogenannten Lippenbremse, ein verlangsamtes Ausatmen durch nur leicht geöffnete Lippen
  • der FF-Atem, bei dem die Schneidezähne die untere Lippe leicht berühren und so ausgeatmet wird
  • und das Tönen von Silben

Für das Erlernen der Atemführung kann die Vorgabe eines Rhythmus hilfreich sein, z. B. so: Zunächst dreimal mit einer der Techniken ausatmen, dann den Atem einige Atemzüge lang frei fließen lassen, danach wieder dreimal mit Technik üben usw. Mit solchen konkreten Vorgaben können Frauen leichter ihren eigenen Rhythmus finden, ohne sich unter Druck zu setzen.

Atmen mit Tönen

Eine ganz besondere Rolle nimmt das Tönen ein. Es ist für die Arbeit mit Schwangeren essenziell.

Hilfreich sind offene Töne wie A, Ma, Ha; aber auch doppelte Silben wie etwa MaMo, Mahaam, Aahaam, Ma Maa etc. unterstützen den Ausatem, oft auch verbunden mit dem Lenken des Einatmens bis tief in den Bauch – siehe Kapitel Atemübung mit tiefer Bauchatmung.

Lernen die Frauen im geburtsvorbereitenden Kurs ein möglichst großes Spektrum von Tönen kennen, so können sie Erfahrungen damit sammeln und im Prozess der stundenlangen Geburt dann ausprobieren, welche Silben und Töne für sie jeweils passend sind.

Die Vorlieben können sich dabei ändern: wurde in der Schwangerschaft das einfache Summen als besonders hilfreich erfahren, kann die Frau unter der Geburt entdecken, dass sie mit dem Tönen von Maa oder Mahaa besser zurechtkommt. Oder auch umgekehrt. Kreative Variationen in die Atemübungen bringen auch verschiedene Lautstärken oder ein An- und wieder Abschwellen der Lautstärke. Sie zeigen den Frauen Möglichkeiten auf, wie sie ihren Atem im Geburtsprozess mit den Wellen der Wehen im Einklang anwenden können.

In den Übungen animiere ich die Frauen darin, wirklich laut zu sein, indem ich sie bestärke und manchmal auch mit ihnen töne. Wer die Frauen bei der Geburt begleitet, kann ebenfalls die hilfreiche Rolle übernehmen, die Gebärende an das Tönen zu erinnern, falls sie diese Anbindung an den Atem unter der Anspannung und der Arbeit der Geburt verliert.

Auch das Kind profitiert vom Üben mit Tönen.

Stellt der Atem immer eine unbewusste zentrale Verbindung zwischen Mutter und Kind her, so hört das Kind im Bauch vom vierten Monat an bereits die Töne, die die Mutter übt, und verbindet diese Laute mit einer Gestimmtheit innerer Ruhe der Mutter.

Mit dem Vorschlag des Tönens treffe ich bei vielen Schwangeren zunächst auf Zurückhaltung und Scheu. Erklärungen und wiederholtes Üben helfen, sie damit vertraut zu machen und das Benutzen und Hören der eigenen Stimme als normal zu betrachten.

Frauen, die keinen Zugang zum hörbaren Tönen finden, unterstütze ich mit dem Vorschlag, mental zu tönen oder biete ihnen als Alternative eine der erwähnten Techniken an.

Obwohl die Natur über hormonelle Umstellungen in der Schwangerschaft gut für die Sauerstoffversorgung des Kindes sorgt (Atemfrequenz, Atemzugvolumen und alveoläre Ventilation nehmen zu, der Atemwegswiderstand nimmt hormonbedingt ab), fällt im Erleben der Frauen vor allem die deutliche Verkleinerung des Atemraums durch das nach oben gedrängte Zwerchfell ins Gewicht. Der Atemraum einer Schwangeren ist durch das Kind auf natürliche Art eingeschränkt. Deshalb habe ich beim Erlernen eines hilfreichen Atems beide, Aus- und Einatmung, im Blick. Der Ausatem ist durch seine harmonisierende und entspannende Wirkung ein wichtiges Element für Schwangerschaft und Geburt.

Was ist eine Geburt anderes als das größte Loslassen überhaupt!

Gleichwohl benötigt auch der Einatem Übung. Die Frauen können lernen, einen vertieften Einatem gefühlt nach unten bis zum Beckenboden zu führen und diesen so mithilfe des Atems sanft nach unten zu dehnen – für die Geburt ein hilfreicher Fokus. Und wenn es im letzten Abschnitt der Geburt darum geht, das Kind nach unten zu schieben, kann der Einatem eine kraftvolle Rolle spielen: Er unterstützt das Kind auf seinem Weg in die Welt.

Beim Unterrichten sind immer wieder individuelle Hinweise nötig. Dazu gehe ich von einer Übenden zur anderen, beobachte ihren Atem und zeige, wo und wie der Atem freier gestalten werden kann. Auch spreche ich an, dass die Frauen unter der Geburt und den Wehen sehr laut sein dürfen, ja sogar sollen.

Der Atem ist also eine Kraft, die ihnen in Verbindung mit den Wellen im Geburtsverlauf zur Verfügung steht und genutzt werden kann – in den einzelnen Geburtsphasen auf unterschiedliche Art und Weise. Ein guter, also vollständiger und ruhiger Atem macht die Gebärenden stark, der Kraft der Wehe begegnen zu können. So können sie den Werdeschmerz besser annehmen.

Die Rolle der Āsana

Im Yoga-Unterricht für Schwangere übernehmen die Āsana die Aufgabe, deren Beweglichkeit und die Kraft zu erhalten und zu fördern, schwangerschaftsbedingte Beschwerden zu lindern oder zu beheben. Genauso wichtig aber: Eine gute Konstitution und Beweglichkeit erleichtern die Geburt.

Geburt heißt Bewegung.

Heute weiß man, dass die Mobilität während der Geburt die Hormonausschüttung positiv beeinflusst. Auf der strukturellen Ebene wiederum nimmt die Beweglichkeit des Beckens und der Lendenwirbelsäule einen besonderen Stellenwert ein. Kann das Becken nach hinten rotieren, schafft das Raum für das Kind, das sich zum Beckenausgang hinbewegen muss.

Alle die Geburt unterstützenden Positionen und Haltungen bringen in Zusammenhang mit einer solchen Beckenrotation den unteren Rücken aus der Lordose heraus. Da diese Bewegung durch den Schmerz und die Anspannung unter der Geburt oft schwierig ist, ergibt es viel Sinn, sie zu üben. Im geburtsvorbereitenden Unterricht ermutige ich die Frauen, verschiedene Haltungen zu erproben, um später die Geburt voranzubringen:

  • Beckenkreisen
  • Vorbeugen am Boden und vom Hocker aus, aus dem Kniestand, im Stehen und in der Hocke, letzteres aber frühestens ab der 38. Woche
  • ebenso ist der Vierfüßlerstand eine sehr unterstützende Haltung und ermöglicht den Frauen, die Zeit der Wehenwellen in Bewegung zu verbringen

Dass die Bewegungsfreiheit der Gebärenden und eine aufrechte Gebärhaltung große Vorteile für die Geburt bieten, betonen Hebammen immer wieder. Steht oder hockt die Gebärende, ist der Verlauf des Geburtskanals gestreckt und fast lotrecht und das Tiefertreten des kindlichen Kopfes wird dadurch erleichtert. Auch der Durchmesser des Geburtskanals und der Beckenausgang erweitern sich in vertikalen Positionen deutlich und die Beckenbodenmuskulatur wird gleichmäßiger gedehnt als in der liegenden Position.

Abb. 1

Bezogen auf die Auswahl der Āsana für den Yoga-Unterricht besteht eine große Herausforderung darin, die jeweils passenden Varianten für alle Teilnehmerinnen zu kreieren. Bestimmt werden diese durch den Umfang des Bauches und andere Einschränkungen, die schwangere Frauen mitbringen (Beispiel Abb. 1): Schmerzen im Rücken oder in der Symphyse, Kniebeschwerden durch das Gewicht, Schwellungen durch Wassereinlagerungen, sodass sie sich nicht auf den Händen stützen können und vieles mehr.

In der Regel befinden sich die Teilnehmerinnen einer Yoga-Gruppe in unterschiedlichen Stadien ihrer Schwangerschaft. So liegt es an uns, ein möglichst großes Spektrum an Variationen anzubieten, damit jede Frau im Rahmen ihrer Möglichkeiten vom Unterricht profitieren kann.

Gibt es Āsana, die wir ganz ausschließen sollten? Ja. Das Wichtigste dazu im Kapitel Kontraindizierte Übungen

Achtsamkeit für den Körper entwickeln

Die besonderen und schnellen körperlichen Veränderungen der Schwangerschaft empfinden manche Frauen als große Herausforderung und Einschränkung. Durch die hormonelle Umstellung und Umorganisierung des Systems auf die Entwicklung des Kindes treten bisher unbekannte Phänomene auf. Das Körpergefühl verändert sich und muss neu justiert werden.

Vielen Frauen geht zunächst die Vertrautheit zum eigenen Körper verloren und es stellt sich ihnen die Frage, wie sie die neuen Bedingungen und Grenzen akzeptieren können. Junge Frauen, die viel Sport treiben, erleben sich als plötzlich ausgebremst, gewohnte Aktivitäten im Alltag müssen eingeschränkt werden. Dies anzunehmen, fällt manchen Frauen nicht leicht. Werden sie als dazugehörig akzeptiert, können die Veränderungen aber sehr wohl als positiv erlebt werden.

Die im Yogaunterricht immer wieder eingeforderte Achtsamkeit auf den Körper kann dazu beitragen; sie erneuert das Vertraut-Sein und hält es aufrecht durch:

  • bewusstes Bewegen
  • durch das Erspüren von Empfindungen nach einem Bewegungsablauf
  • durch aufmerksames Einrichten im Sitz oder die bewusste Einnahme eines aufrechten Standes, in dem der Kontakt zum Boden und die Aufrichtung der Wirbelsäule wahrgenommen werden

Auch bedarf die schwangerschaftsbedingte Körperhaltung (verstärkte Lordose, oft mit Rückenschmerzen verbunden) besonderer Aufmerksamkeit, wenn eine schonende Körperhaltung im Stehen oder Sitzen gesucht wird. Genau wie die Ausrichtung auf den Atem ist die Ausrichtung auf den Körper vor allem aber immer eine Möglichkeit, innerlich zur Ruhe zu kommen und Gedanken, die vielleicht auch mit Sorgen oder Ängsten verbunden sind, weniger Raum zu geben.

So wie wir Meditation nutzen, um die Gedanken zur Ruhe zu bringen und im Augenblick zu sein, kann auch die Ausrichtung auf den Körper für die werdenden Mütter eine große Hilfe sein. Berührungen durch Auflegen beider Hände an unterschiedlichen Körperorten schaffen Verbindung zum eigenen Körper; die Erfahrung von Beweglichkeit trotz Einschränkungen, das Erleben eigener kraftvoller Aktivität im Üben gibt den Frauen das Vertrauen in den eigenen Körper, die Anforderungen der Geburt meistern zu können.

Zudem wird durch einen achtsamen Umgang mit dem Körper die Sensibilität für körperliche Signale erhöht. So kann auch unter der Geburt leichter und direkter darauf reagiert werden.

Entspannungstechniken bieten ebenfalls eine vielversprechende Möglichkeit, positive Erfahrung mit dem eigenen Körper zu machen. Als Körpermeditationen im Liegen oder auch im Sitzen bieten sich verschiedene Varianten vom Yoga Nidrā an; sie lassen sich auch mit dem Atem verknüpfen und eröffnen die Möglichkeit, den Kontakt zum Kind einzubeziehen. Dabei sollte ein häufig geübtes Prinzip zu erkennen sein, leicht und zu jeder Zeit abrufbar:

sinken lassen – getragen werden – abgeben

Konkret in einer bestimmten Abfolge zu einzelnen Körperteilen hinzuspüren, kann als Muster erlernt und durch das Üben zu Hause verinnerlicht werden. Bei der Geburt versetzt das Erlernen unterschiedlicher Entspannungsmöglichkeiten die Frauen in die Lage, in den Wehenpausen eine passende Form daraus auszuwählen.

Wenn der Muttermund sich in der Eröffnungsphase weitet, sind die Abstände zwischen den Wellen anfangs noch länger. Die Pausen werden jedoch immer kürzer, je näher der Zeitpunkt der eigentlichen Geburt rückt. Eine Pause von nur fünf Minuten bietet dann die kostbare Möglichkeit, mithilfe der erlernten Entspannungstechnik Kraft zu sammeln, bei sich zu sein, zu spüren, was gerade geschieht und den Kontakt zu dem Kind zu behalten. Deshalb ergibt es Sinn, anstelle langer Entspannungsphasen im Unterricht auch zeitlich kurze Angebote zu machen.

Achtsamkeit auf den Atem richten

Neben den schon erwähnten unterschiedlichen Rollen, die der Atem in der Geburtsvorbereitung spielt, ist es sinnvoll, dass die Frauen ihren Atem in seinen individuellen Besonderheiten erst einmal kennenlernen. Das Beobachten des Atems, das achtsame Verfolgen jedes Atemzugs hilft Ihnen dabei.

  • Dies kann im Sitzen zwischen zwei Übungen geschehen.
  • Es kann genauso in einer Bewegung wahrgenommen werden.
  • Und sogar im Alltag aufgegriffen werden.

Diese zu erkennen und Alternativen zur Verfügung zu haben, präsent zu sein beim Atem und beobachten, wie er geschieht, eröffnet den Frauen einen Zugang zu dem der jeweiligen Situation der Geburt angemessenen Atem. Das bedeutet einen Zuwachs an Kompetenz, um ihn unter der Geburt gleichmäßiger und leichter führen zu können.

Achtsamkeit durch Meditation

Neben den bereits erwähnten Mitteln des Yoga, die wir in unseren geburtsvorbereitenden Unterricht einsetzen, können Meditationen eine weitere Bereicherung sein.

Die Vielfalt an Meditationsthemen ist groß; in unserem Unterricht ist also Kreativität gefordert.

Ratsam ist zunächst einmal, die meditativen Perioden anfänglich kurz zu gestalten, um die Frauen behutsam in die Meditation einzuführen. Gespräche über Erfahrungen oder Schwierigkeiten dabei sind besonders wichtig, damit die Frauen verstehen, was Meditation bedeutet und dass ein unsteter Geist normal ist und Ablenkung leicht geschieht.

Besondere Aspekte positiver Ausrichtung und unterstützender Ideen lassen sich durch eine angeleitete Meditation thematisieren. So können die Frauen sich etwa auf das Gefühl von Vertrauen – alles wird gut – sammeln oder mit Affirmationen – Ich schaffe das; ich fühle mich kraftvoll – arbeiten.

Solche Übungen der Geburtsvorbereitung helfen Ihnen in der Stille in eine positive Gestimmtheit zu kommen, anstatt Ängsten und Sorgen Raum zu lassen. Auch kann die bereits erwähnte Körpermeditation Yoga Nidrā etwa beim Einatmen verbunden werden mit der Vorstellung eines wärmenden, angenehmen Licht-Einströmens, das Kraft und Energie zum Kind oder zur Mutter selbst bringt.

Ist der Atem an sich Fokus für eine Meditation, lässt er sich unter verschiedenen Aspekten benutzen, so z. B.:

  • der Ort, an dem der Atem gut zu spüren ist
  • jeder Ausatem wird achtsam begleitet
  • der Ausatem wird mit einer mental getönten Silbe verbunden

Achtsamkeit im Kontakt zum Kind

Eine weitere, äußerst bedeutende Möglichkeit, Ausrichtung und Achtsamkeit als Geburtsvorbereitung zu lehren, ist das Hinspüren-Lernen der werdenden Mütter zum ungeborenen Kind.

Nicht alle Frauen finden spontan den Zugang zum Erspüren des Kindes.

Sehr hilfreich sind hier Vorschläge wie:

  • alles andere außen vor lassen
  • ganz zugewandt und uneingeschränkt beim Kind sein
  • in einen inneren Dialog mit dem Kind gehen
  • lauschen
  • spüren
  • Gedanken von Zuversicht und Vertrauen dort hinströmen lassen …

Liegen dabei die Hände auf dem Bauch, können die Frauen die Bewegungen des Kindes spüren – und bekommen oft Reaktionen des Kindes darauf. Manches Mal ist es in dieser Zeit der Stille im Kurs das erste Mal, dass Frauen in der frühen Schwangerschaft die Bewegungen des Kindes als solche sicher identifizieren können. Ein solches Richten der Achtsamkeit schafft zudem einen innigen Kontakt zwischen Mutter und Kind. Und dieser ist wiederum ein wichtiges Element für die Geburt. Hebammen können davon berichten: Unter der Geburt ist das Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind entscheidend, denn es sind beide, die gemeinsam die so wichtige Aufgabe zu bewältigen haben.

Der Beckenboden – aktiv und entspannt

Der Beckenboden ist während der Schwangerschaft und natürlich besonders unter der Geburt extremen Belastungen ausgesetzt, die ganz unterschiedlicher Art sind: Er trägt und er hält. Als komplexe Muskelgruppe trägt der Beckenboden nicht nur die inneren Organe, sondern muss auch einen Halt geben für die wachsende Gebärmutter, das Kind und die Plazenta.

Den zunehmenden Druck auf die Beckenbodenmuskeln spüren manche Frauen früher oder später deutlich und manches Mal als sehr belastend. Zudem entfalten in der Schwangerschaft dort besondere Hormone, sogenannte Relaxine, ihre Wirkung, die Bänder, Bindegewebe und Muskeln geschmeidiger machen. Auch das stark erhöhte Progesteron senkt den Spannungszustand der glatten Muskulatur des Beckenbodens. Dadurch können Verletzungen der Muskeln und Bänder während der Geburt verhindert werden.

Die negative Folge: Etwa jede dritte Schwangere verliert dadurch bei zunehmendem Bauchinnendruck unwillkürlich Urin. Gespräche über Beckenboden, Erklärungen dazu und Übungen damit sind meist mit Unsicherheiten und, auch heute noch, mit Schamgefühl verbunden. Dass viele Frauen in der Schwangerschaft etwa mit dem Thema Inkontinenz zu tun haben, wird selten erwähnt. Umso wichtiger ist es, dieses Thema in einen Kurs, der die Geburtsvorbereitung im Auge hat, einzubeziehen. Nur so lässt sich jungen Frauen eine Möglichkeit in Aussicht stellen, durch ihr eigenes Handeln Komplikationen entgegenzuwirken.

Die Bedeutung einer Rückbildung nach der Geburt zu erklären, gehört dazu. Noch immer wird beim Thema Beckenbodenarbeit in der Schwangerschaft kontrovers diskutiert, ob ein trainierter, straffer Beckenboden die Arbeit der Geburt erleichtert oder erschwert. Wird durch sanfte Kontraktionen und bewusstes Entspannen der Beckenboden-Muskulatur eine Sensibilisierung für diesen Bereich angestrebt, können die Frauen ein Gefühl für diesen Körperbereich entwickeln und haben die Möglichkeit, dieses Gefühl unter der Geburt auch aktiv einzusetzen.

Das Aufklären über Funktion und Wirkweise des Beckenbodens, die Bewusstmachung durch Ertasten, Spüren und Ansteuern – das Lenken der Aufmerksamkeit dorthin, tragen weiter dazu bei. Die positive Wirkung einer solchen Arbeit ist durch viele Studien belegt:

  • die Erhöhung der Sensibilität für den Beckenboden erleichtert und verkürzt die zweite Hälfte der Geburt
  • schwere Geburtsverletzungen werden weniger und einer Inkontinenz als Folge von Schwangerschaft und Geburt wird vorgebeugt

Diese Arbeit unterscheidet sich grundsätzlich von einem Training zur Kräftigung des Beckenbodens. Dort geht es um die Wiederherstellung der normalen Beckenboden-Funktionen nach maximaler Dehnung und möglichen Verletzungen des Gewebes unter der Geburt. Sie ist also nach der Geburt von Bedeutung. Die Arbeit mit dem Beckenboden während der Geburtsvorbereitung mit Yoga schafft dafür allerdings schon die besten Voraussetzungen.

Ansage für eine Atemübung mit tiefer Bauchatmung

Verschiedene Positionen sind möglich: Liegen, auf dem Hocker sitzend oder wie hier vorgeschlagen Sitz auf dem Boden (Abb. 2).

Abb. 2

Die Ansage

„Begebt Euch in eine entspannte Sitzposition am Boden, vielleicht sogar angelehnt an die Wand, unterstützt mit Kissen; die Fußsohlen liegen aneinander, die Knie fallen nach außen – nehmt Euch etwas Zeit, um in dieser Position anzukommen, möglichst alle unnötigen Spannungen abzugeben und kommt so in einen Zustand des Ausgerichtet-Seins auf Euch selbst – lasst Euch nieder, tragen, stützen. So könnt Ihr in Kontakt mit dem Kind gehen und es aufmerksam spüren. Um den Atem als Bewegung im Bauch zu spüren, könnt Ihr die Hände auf die Bauchdecke legen.“

Nach einigen Momenten des Verweilens

„Richtet die Aufmerksamkeit auf den Atem, spürt ihn, nehmt ihn als Bewegung wahr als ein Kommen und Gehen. Ein leises Summen beim Ausatmen zu Beginn der Atemübung stimmt Euch darauf ein, den Atem zu führen, ihm eine bequeme Länge zu geben. Wenn Ihr diese gefunden habt, könnt Ihr beginnen, den Ein-Atem sanft in den Bauch strömen zu lassen, ohne Anstrengung.
Ein Fokus kann dabei auch sein, dass der Atem zum Kind strömt. Oder Ihr stellt Euch vor, dass der Atem sich wie eine schützende Hülle um das Kind legt. Der Atem wiegt und schaukelt das Kind. Das Kind bekommt eine sanfte Massage durch den Atem. Nach einigen Atemzügen lasst Ihr den Atem frei, bleibt aber aufmerksam bei ihm. Nun beginnt Ihr, beim Ausatmen ein maa zu tönen, laut und gleichmäßig, den Einatem lasst Ihr wieder zum Kind tief in den Bauch strömen.

Etwa eine Minute lang.

So bleibt Ihr für einige Atemzüge: Ein zum Kind, bei Aus tönt Ihr maa. Ihr lasst den Atem dann wieder frei und spürt ihn, bleibt in der Sammlung. In der letzten Runde verlängert Ihr das Tönen, indem Ihr zwei Silben, maamoo, tönt, verbunden, wie vorher auch, mit dem vertieften Einatem in den Bauch, zum Kind hin. Achtet darauf, dass der Atem möglichst gleichmäßig bleibt, und sich angenehm anfühlt. Fühlt Euch frei, jederzeit zwischenzuatmen, ein bis drei Atemzüge, und dann steigt wieder neu in den Ablauf ein. Findet Euren eigenen, ganz persönlichen Atemrhythmus.“

Diese Anleitung wird über drei Runden ausgeführt; eine Runde dauert ungefähr so lang wie eine Wehe: ca. sechzig Sekunden. So bekommen die Frauen ein Maß für die Länge der Wehen. Mögliche Silben sind: maa, maahaa, mahaam, momaa, aaham … nach etwa einer Minute lautet die Ansage:

„Tönt noch zweimal laut und kräftig. Schließlich beendet Ihr die Atemübung, spürt noch einige Momente zum Atem, dann einige Atemzüge zum Kind.“

Die Pausen zwischen den Runden bieten Raum, um sich sinken zu lassen, zum Kind zu spüren oder den Atem wahrzunehmen. Nachgefragt wird, ob der Atem im Bauch gut zu spüren ist; dies regt einen Austausch in der Gruppe an und lässt Raum für Fragen und Probleme.

Kontraindizierte Übungen und wie sie ersetzt werden können

Für Übungen aus der Bauchlage, wie bhujaṅgāsana (Abb. 3) oder śalabhāsana (Abb. 4) kommen als Alternativen jeweils angepasste Varianten von cakravākāsana (Abb. 5), dvipāda pīṭham (Abb. 6), Varianten von vīrabhadrāsana (Abb. 7 und 8) oder ūrdhva mukhaśvānāsana (Abb. 9) im Stütz vom Hocker, infrage.

Abb. 3
Abb. 4

Alternativen:

Abb. 5
Abb. 6
Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9

Positionen, die den Bauch anspannen und den Innendruck im Bauchraum erhöhen, wie uttānāsana (Abb. 10), paścimatānāsana (Abb. 11) oder utkatāsana (Abb. 12), können als Variante von uttānāsana vom Hocker (Abb. 13), oder auch mit prasārita pāda uttānāsana (Abb. 14), jānuśīrṣāsana (Abb. 15) oder utkatāsana, allerdings erst ab der 38. Woche, mit breit gestellten und ausgedrehten Füßen, geübt werden (Abb. 16).

Abb. 10

Abb. 11

Abb. 12

Alternativen:

Abb. 13
Abb. 14
Abb. 15
Abb. 16

Die folgenden Āsana sollten hingegen gar nicht geübt werden: navāsana (Abb. 17) und ūrdhva prasṛta pādāsana (Abb. 18).

Abb. 17
Abb. 18

Ebenso Drehungen wie jaṭhara parivṛtti (Abb. 19), ardha matsyendrāsana (Abb. 20) und utthita trikoṇāsana (Abb. 21).

Abb. 19

Abb. 20
Abb. 21

Sowie alle Umkehrpositionen (Abb. 22 - 24).

Abb. 22

Abb. 23

Abb. 24

Ein Kurs – Zwei Schwangere

Kurs 1

Der Kurs (Abb. 25) zeigt, wie sich eine fitte und beschwerdelose Schwangere, die sich gern bewegt, im Kurs in der 22. Schwangerschaftswoche auf die Geburt vorbereitet.

Kräftige, dynamisch ausgeführte Rückbeugen im Stand (5, 7) machen einen wichtigen Teil des Programms aus; entsprechend dem noch geringen Bauchumfang in dieser Schwangerschaftsphase sind noch viele Übungen aus dem Vierfüßlerstand möglich, wenn die Knie breit genug aufgestellt werden, um keinen Druck auf den Bauch auszuüben. (3, 8, 11).

Die Arbeit mit dem Atem als wichtigste Geburtsvorbereitung beginnt hier schon mit dem Erproben und Erlernen des Tönens (1, 3, 7, 9, 11), eingebaut in verschiedene Übungen sowie fokussiert in der Übung 9 im Sinne einer Ausatemverlängerung, hier unterstützt durch das Anlehnen an eine Wand und Unterlegung der Knie mit einem Kissen.

Die Rückenlage ist für diese Übende noch bequem möglich, die Knie sind leicht unterstützt. Nach dem längeren Liegen wird mit der Übung 11 für einen guten Übergang zum Sitzen (12) gesorgt, da Schwangere häufig mit Kreislaufproblemen zu tun haben.

Übungen zur Geburtsvorbereitung sehen für jede Schwangere besonders aus – je nach dem Stand der Schwangerschaft und den jeweiligen persönlichen Umständen und Bedürfnissen entsprechend.

Abb. 25

Kurs 2

Dieser Kurs (Abb. 26) zeigt den gleichen geburtsvorbereitenden Übungsablauf wie Kurs 1 (Abb. 3 – mit den gleichen Anweisungen zum Atmen, Tönen und Ausrichten), variiert aber für eine Schwangere im gleichen Kurs, die in der 35. Schwangerschaftswoche ist.

Sie ist kurzatmig und leidet an Schmerzen im Kreuzbeinbereich, wenn sie einen asymmetrischen Stand einnimmt. Doch muss diese Schwangere deswegen nicht auf wichtige geburtsvorbereitende Impulse verzichten: Die Übung 7 wurde durch eine symmetrische Rückbeuge ersetzt. Da das Gewicht des mittlerweile schweren Bauches zusätzlich eine größere Belastung für Rücken, Beine und Knie darstellt, wurde den Übungen zum Hocker der Vorzug vor den freien Vorwärtsbeugen gegeben; die Anforderungen an Vor- und Rückwärtsbeugen (3,5,7,8) wurden also angepasst.

Auf diese Weise bleibt die Frau weiterhin in Bewegung und kräftigt Rücken und Beine. Die Frau wird dazu ermuntert, viele Pausen zu machen und zwischenzuatmen, da die Kurzatmigkeit mit der Zunahme des Bauchumfangs ebenfalls mehr und mehr zum Thema geworden ist. Auch hier ist der Hocker als Sitzposition eine gute Wahl.

Tönen und langes Ausatmen sowie das Einatmen zum Kind hin spielen jetzt mehr und mehr ihre bedeutende Rolle. Die Entspannung wird nun in Seitenlage besser erreicht (10); diese Position berücksichtigt sowohl mögliche Rückenschmerzen, wie sie in der Spätschwangerschaft oft auftreten, wie auch eine mögliche Übelkeit, die durch den Druck des Kindes auf die große Hohlvene verursacht werden kann – Vena Cava-Syndrom.

Das Ende des Kurses beschließt die Teilnehmerin wie alle anderen im Sitzen am Boden, auf einem Kissen oder einem Bänkchen.

Abb. 26

Die Zeit der Schwangerschaft

Es ist eine ganz besondere Phase im Leben jeder Frau, die große Veränderungen für die Gegenwart und Zukunft mit sich bringt. Wenn wir als Yogalehrer:innen Frauen auf diesem Wegabschnitt begleiten dürfen, fällt uns eine Aufgabe zu, die uns auf verschiedenen Ebenen fordert. Mit individuellem Anpassen und Verwenden von vielfältigen Übungsvariationen lässt sie sich kreativ und facettenreich bewältigen.

Wir können zwei Blickrichtungen auf den Yogaunterricht für Schwangere einnehmen:

  • Das Ziel ist, die Frauen in ihrer Beweglichkeit und Krafterhaltung zu unterstützen, so können wir ihnen dieses Anliegen über die Auswahl der passenden Āsana erfüllen. Damit bewegen wir uns eher in Richtung der Schwangerschaftsgymnastik.
  • Die zweite Blickrichtung geht jedoch weit darüber hinaus: Wir nehmen die Geburt als Ziel unserer Begleitung und Ausgestaltung unseres Yoga-Unterrichts in den Fokus. Dann werden die Techniken und Konzepte des Yoga zu Werkzeugen, die die schwangeren Frauen erlernen, damit sie ihnen im Prozess der Geburt zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist ganz besonders der Atem zu nennen. Bewegung und Beweglichkeit sind ein weiteres Element. Und als drittes, bedeutungsvolles Element wird das Erlernen mentaler Ausrichtung, das Üben von Achtsamkeit zu einer großen Unterstützung bei der Geburt.

Die jungen Frauen, die in einen Yogakurs für Schwangere kommen, bilden eine besondere Gruppe. Sie sind meist zwischen 20 und 40 Jahren alt, stehen oft im Berufsleben, manche haben schon ein oder mehrere Kinder. Die meisten von ihnen haben noch keinerlei Erfahrung mit Yoga, selten mit Meditation oder Entspannungstechniken. Die Information, dass Yoga in der Schwangerschaft guttut und für die Geburt sehr hilfreich sein kann, haben sie entweder aus den Medien, von Empfehlungen ihrer Freundinnen oder sie werden von einer der Hebammen, mit denen Yogalehrende zusammenarbeiten, auf die Möglichkeit und Vorzüge des Yoga als Geburtsvorbereitung hingewiesen.

Für die Mehrheit der Schwangeren ist dies eine sensible Zeit. Sie sind voller Vorfreude auf das Kind.

In Gesprächen erfahre ich aber auch oft, dass sich zu der großen Freude Sorgen und Zweifel gesellen, innere Unruhe und Ängste, wie sie mit den großen Veränderungen im eigenen Leben umgehen werden können. Alle Frauen sind sehr offen für hilfreiche Angebote und dankbar für Aufklärung und Vorschläge, die sie bei der Geburt anwenden können. Vieles, was sie im Yogaunterricht kennenlernen, fällt ihnen anfangs schwer. Erklärungen zu meinen konkreten Vorschlägen und die Vermittlung einiger Konzepte des Yoga spornen sie aber immer an, dranzubleiben.

Die größte Motivation jedoch entsteht, wenn sie durch das Üben von Achtsamkeit, des sich Spürens und bewusst Wahrnehmens oder das Führen des Atems merken, dass diese Fähigkeiten ihnen bei der Geburt ihres Kindes zur Seite stehen könnten. Die Erfahrungen aus dem Kurs eröffnen Ihnen aber auch Perspektiven, die sich nicht auf Schwangerschaft und Geburt beschränken:

  • innere Ruhe
  • sich spüren
  • Zeit für sich haben
  • wahrnehmen, was gerade geschieht

An dieses positive Erleben erinnern sich viele Frauen auch nach der Entbindung und greifen deshalb nach einiger Zeit die Yogapraxis wieder auf. Sie wissen nun, dass sie selbst etwas für sich tun können und erfahren so etwas sehr Wichtiges für ihr ganzes Leben: eine Zunahme von Selbstwirksamkeit.

Die Rolle des Atems – ein Anker

Als ein sehr hilfreiches Werkzeug für die Geburt hat sich der Atem erwiesen. Die Atemarbeit als wiederkehrendes Element in den Unterricht zu integrieren, ist deshalb ein zentrales Anliegen der Yoga-Vorbereitung auf die Geburt. Untersuchungen zu Yoga im Stressmanagement belegen, dass langsames Atmen dort eine bedeutende Rolle spielen kann. Das natürliche – aber selten sich spontan einstellende – unangestrengte Atemverhältnis, in welchem der Ausatem um etwa ein Drittel länger ist als der Einatem, genügt schon, eine erhöhte vegetative Erregung zu reduzieren.

In der Vorbereitung auf den hohen Stress bei der Geburt, der sich sowohl körperlich in Verkrampfung als auch emotional in Angst und Panik niederschlägt, spielt die Fähigkeit der Atembeeinflussung in diesem Sinne also eine große Rolle.

In der Geburtsvorbereitung dient der Atem als Anker

Er dient einerseits der Ausrichtung, andererseits ist er als Quelle der Kraft immer da, als eine zuverlässige Stütze für den Umgang mit den Wehen, als Vertrauter. Die Frauen können immer auf ihn zurückgreifen.

Atem lehren

Ein gutes Fundament für das Verständnis und die Anwendung von Atemübungen kann bei den Schwangeren durch Erklärungen und Erfahrung gelegt werden. Sehr hilfreich ist es auch, dies mit Berichten von Erfahrungen anderer Schwangerer von deren Geburt zu ergänzen.

Da die meisten Teilnehmerinnen keine Erfahrung mit Atemarbeit haben, ist ein behutsames Vorgehen beim Einführen von Atemübungen angebracht. Zurückhaltung bezüglich der Atemarbeit wäre jedoch ebenso fehl am Platz wie Eile. Was es braucht, ist ein gut geplantes und angemessenes schrittweises Vorgehen, damit auch mit dem Atem unerfahrene Frauen einen Zugang dazu finden.

Zunächst geht es vorwiegend darum, den Frauen die Atemqualität zu vermitteln, dass es also um einen ruhigen, möglichst gleichmäßigen Fluss und nicht um einen maximal langen oder tiefen Atem geht. Dazu ist das Angebot von Pausen im Verlauf der Atemübungen essenziell, wann immer ein Bedürfnis danach besteht. Dies ermöglicht, den Atem ohne Druck zu führen. Techniken, die den Atem gleichförmiger machen und so die Qualität verbessern, gibt es im Yoga viele. Besonders bewährt hat sich für die Geburtsvorbereitung:

  • die Regulierung an der Kehle mit der Ujjayī-Atmung
  • das Summen bei der Ausatmung – bramharī
  • das Abbremsen des Ausatmens mit der sogenannten Lippenbremse, ein verlangsamtes Ausatmen durch nur leicht geöffnete Lippen
  • der FF-Atem, bei dem die Schneidezähne die untere Lippe leicht berühren und so ausgeatmet wird
  • und das Tönen von Silben

Für das Erlernen der Atemführung kann die Vorgabe eines Rhythmus hilfreich sein, z. B. so: Zunächst dreimal mit einer der Techniken ausatmen, dann den Atem einige Atemzüge lang frei fließen lassen, danach wieder dreimal mit Technik üben usw. Mit solchen konkreten Vorgaben können Frauen leichter ihren eigenen Rhythmus finden, ohne sich unter Druck zu setzen.

Atmen mit Tönen

Eine ganz besondere Rolle nimmt das Tönen ein. Es ist für die Arbeit mit Schwangeren essenziell.

Hilfreich sind offene Töne wie A, Ma, Ha; aber auch doppelte Silben wie etwa MaMo, Mahaam, Aahaam, Ma Maa etc. unterstützen den Ausatem, oft auch verbunden mit dem Lenken des Einatmens bis tief in den Bauch – siehe Kapitel Atemübung mit tiefer Bauchatmung.

Lernen die Frauen im geburtsvorbereitenden Kurs ein möglichst großes Spektrum von Tönen kennen, so können sie Erfahrungen damit sammeln und im Prozess der stundenlangen Geburt dann ausprobieren, welche Silben und Töne für sie jeweils passend sind.

Die Vorlieben können sich dabei ändern: wurde in der Schwangerschaft das einfache Summen als besonders hilfreich erfahren, kann die Frau unter der Geburt entdecken, dass sie mit dem Tönen von Maa oder Mahaa besser zurechtkommt. Oder auch umgekehrt. Kreative Variationen in die Atemübungen bringen auch verschiedene Lautstärken oder ein An- und wieder Abschwellen der Lautstärke. Sie zeigen den Frauen Möglichkeiten auf, wie sie ihren Atem im Geburtsprozess mit den Wellen der Wehen im Einklang anwenden können.

In den Übungen animiere ich die Frauen darin, wirklich laut zu sein, indem ich sie bestärke und manchmal auch mit ihnen töne. Wer die Frauen bei der Geburt begleitet, kann ebenfalls die hilfreiche Rolle übernehmen, die Gebärende an das Tönen zu erinnern, falls sie diese Anbindung an den Atem unter der Anspannung und der Arbeit der Geburt verliert.

Auch das Kind profitiert vom Üben mit Tönen.

Stellt der Atem immer eine unbewusste zentrale Verbindung zwischen Mutter und Kind her, so hört das Kind im Bauch vom vierten Monat an bereits die Töne, die die Mutter übt, und verbindet diese Laute mit einer Gestimmtheit innerer Ruhe der Mutter.

Mit dem Vorschlag des Tönens treffe ich bei vielen Schwangeren zunächst auf Zurückhaltung und Scheu. Erklärungen und wiederholtes Üben helfen, sie damit vertraut zu machen und das Benutzen und Hören der eigenen Stimme als normal zu betrachten.

Frauen, die keinen Zugang zum hörbaren Tönen finden, unterstütze ich mit dem Vorschlag, mental zu tönen oder biete ihnen als Alternative eine der erwähnten Techniken an.

Obwohl die Natur über hormonelle Umstellungen in der Schwangerschaft gut für die Sauerstoffversorgung des Kindes sorgt (Atemfrequenz, Atemzugvolumen und alveoläre Ventilation nehmen zu, der Atemwegswiderstand nimmt hormonbedingt ab), fällt im Erleben der Frauen vor allem die deutliche Verkleinerung des Atemraums durch das nach oben gedrängte Zwerchfell ins Gewicht. Der Atemraum einer Schwangeren ist durch das Kind auf natürliche Art eingeschränkt. Deshalb habe ich beim Erlernen eines hilfreichen Atems beide, Aus- und Einatmung, im Blick. Der Ausatem ist durch seine harmonisierende und entspannende Wirkung ein wichtiges Element für Schwangerschaft und Geburt.

Was ist eine Geburt anderes als das größte Loslassen überhaupt!

Gleichwohl benötigt auch der Einatem Übung. Die Frauen können lernen, einen vertieften Einatem gefühlt nach unten bis zum Beckenboden zu führen und diesen so mithilfe des Atems sanft nach unten zu dehnen – für die Geburt ein hilfreicher Fokus. Und wenn es im letzten Abschnitt der Geburt darum geht, das Kind nach unten zu schieben, kann der Einatem eine kraftvolle Rolle spielen: Er unterstützt das Kind auf seinem Weg in die Welt.

Beim Unterrichten sind immer wieder individuelle Hinweise nötig. Dazu gehe ich von einer Übenden zur anderen, beobachte ihren Atem und zeige, wo und wie der Atem freier gestalten werden kann. Auch spreche ich an, dass die Frauen unter der Geburt und den Wehen sehr laut sein dürfen, ja sogar sollen.

Der Atem ist also eine Kraft, die ihnen in Verbindung mit den Wellen im Geburtsverlauf zur Verfügung steht und genutzt werden kann – in den einzelnen Geburtsphasen auf unterschiedliche Art und Weise. Ein guter, also vollständiger und ruhiger Atem macht die Gebärenden stark, der Kraft der Wehe begegnen zu können. So können sie den Werdeschmerz besser annehmen.

Die Rolle der Āsana

Im Yoga-Unterricht für Schwangere übernehmen die Āsana die Aufgabe, deren Beweglichkeit und die Kraft zu erhalten und zu fördern, schwangerschaftsbedingte Beschwerden zu lindern oder zu beheben. Genauso wichtig aber: Eine gute Konstitution und Beweglichkeit erleichtern die Geburt.

Geburt heißt Bewegung.

Heute weiß man, dass die Mobilität während der Geburt die Hormonausschüttung positiv beeinflusst. Auf der strukturellen Ebene wiederum nimmt die Beweglichkeit des Beckens und der Lendenwirbelsäule einen besonderen Stellenwert ein. Kann das Becken nach hinten rotieren, schafft das Raum für das Kind, das sich zum Beckenausgang hinbewegen muss.

Alle die Geburt unterstützenden Positionen und Haltungen bringen in Zusammenhang mit einer solchen Beckenrotation den unteren Rücken aus der Lordose heraus. Da diese Bewegung durch den Schmerz und die Anspannung unter der Geburt oft schwierig ist, ergibt es viel Sinn, sie zu üben. Im geburtsvorbereitenden Unterricht ermutige ich die Frauen, verschiedene Haltungen zu erproben, um später die Geburt voranzubringen:

  • Beckenkreisen
  • Vorbeugen am Boden und vom Hocker aus, aus dem Kniestand, im Stehen und in der Hocke, letzteres aber frühestens ab der 38. Woche
  • ebenso ist der Vierfüßlerstand eine sehr unterstützende Haltung und ermöglicht den Frauen, die Zeit der Wehenwellen in Bewegung zu verbringen

Dass die Bewegungsfreiheit der Gebärenden und eine aufrechte Gebärhaltung große Vorteile für die Geburt bieten, betonen Hebammen immer wieder. Steht oder hockt die Gebärende, ist der Verlauf des Geburtskanals gestreckt und fast lotrecht und das Tiefertreten des kindlichen Kopfes wird dadurch erleichtert. Auch der Durchmesser des Geburtskanals und der Beckenausgang erweitern sich in vertikalen Positionen deutlich und die Beckenbodenmuskulatur wird gleichmäßiger gedehnt als in der liegenden Position.

Abb. 1

Bezogen auf die Auswahl der Āsana für den Yoga-Unterricht besteht eine große Herausforderung darin, die jeweils passenden Varianten für alle Teilnehmerinnen zu kreieren. Bestimmt werden diese durch den Umfang des Bauches und andere Einschränkungen, die schwangere Frauen mitbringen (Beispiel Abb. 1): Schmerzen im Rücken oder in der Symphyse, Kniebeschwerden durch das Gewicht, Schwellungen durch Wassereinlagerungen, sodass sie sich nicht auf den Händen stützen können und vieles mehr.

In der Regel befinden sich die Teilnehmerinnen einer Yoga-Gruppe in unterschiedlichen Stadien ihrer Schwangerschaft. So liegt es an uns, ein möglichst großes Spektrum an Variationen anzubieten, damit jede Frau im Rahmen ihrer Möglichkeiten vom Unterricht profitieren kann.

Gibt es Āsana, die wir ganz ausschließen sollten? Ja. Das Wichtigste dazu im Kapitel Kontraindizierte Übungen

Achtsamkeit für den Körper entwickeln

Die besonderen und schnellen körperlichen Veränderungen der Schwangerschaft empfinden manche Frauen als große Herausforderung und Einschränkung. Durch die hormonelle Umstellung und Umorganisierung des Systems auf die Entwicklung des Kindes treten bisher unbekannte Phänomene auf. Das Körpergefühl verändert sich und muss neu justiert werden.

Vielen Frauen geht zunächst die Vertrautheit zum eigenen Körper verloren und es stellt sich ihnen die Frage, wie sie die neuen Bedingungen und Grenzen akzeptieren können. Junge Frauen, die viel Sport treiben, erleben sich als plötzlich ausgebremst, gewohnte Aktivitäten im Alltag müssen eingeschränkt werden. Dies anzunehmen, fällt manchen Frauen nicht leicht. Werden sie als dazugehörig akzeptiert, können die Veränderungen aber sehr wohl als positiv erlebt werden.

Die im Yogaunterricht immer wieder eingeforderte Achtsamkeit auf den Körper kann dazu beitragen; sie erneuert das Vertraut-Sein und hält es aufrecht durch:

  • bewusstes Bewegen
  • durch das Erspüren von Empfindungen nach einem Bewegungsablauf
  • durch aufmerksames Einrichten im Sitz oder die bewusste Einnahme eines aufrechten Standes, in dem der Kontakt zum Boden und die Aufrichtung der Wirbelsäule wahrgenommen werden

Auch bedarf die schwangerschaftsbedingte Körperhaltung (verstärkte Lordose, oft mit Rückenschmerzen verbunden) besonderer Aufmerksamkeit, wenn eine schonende Körperhaltung im Stehen oder Sitzen gesucht wird. Genau wie die Ausrichtung auf den Atem ist die Ausrichtung auf den Körper vor allem aber immer eine Möglichkeit, innerlich zur Ruhe zu kommen und Gedanken, die vielleicht auch mit Sorgen oder Ängsten verbunden sind, weniger Raum zu geben.

So wie wir Meditation nutzen, um die Gedanken zur Ruhe zu bringen und im Augenblick zu sein, kann auch die Ausrichtung auf den Körper für die werdenden Mütter eine große Hilfe sein. Berührungen durch Auflegen beider Hände an unterschiedlichen Körperorten schaffen Verbindung zum eigenen Körper; die Erfahrung von Beweglichkeit trotz Einschränkungen, das Erleben eigener kraftvoller Aktivität im Üben gibt den Frauen das Vertrauen in den eigenen Körper, die Anforderungen der Geburt meistern zu können.

Zudem wird durch einen achtsamen Umgang mit dem Körper die Sensibilität für körperliche Signale erhöht. So kann auch unter der Geburt leichter und direkter darauf reagiert werden.

Entspannungstechniken bieten ebenfalls eine vielversprechende Möglichkeit, positive Erfahrung mit dem eigenen Körper zu machen. Als Körpermeditationen im Liegen oder auch im Sitzen bieten sich verschiedene Varianten vom Yoga Nidrā an; sie lassen sich auch mit dem Atem verknüpfen und eröffnen die Möglichkeit, den Kontakt zum Kind einzubeziehen. Dabei sollte ein häufig geübtes Prinzip zu erkennen sein, leicht und zu jeder Zeit abrufbar:

sinken lassen – getragen werden – abgeben

Konkret in einer bestimmten Abfolge zu einzelnen Körperteilen hinzuspüren, kann als Muster erlernt und durch das Üben zu Hause verinnerlicht werden. Bei der Geburt versetzt das Erlernen unterschiedlicher Entspannungsmöglichkeiten die Frauen in die Lage, in den Wehenpausen eine passende Form daraus auszuwählen.

Wenn der Muttermund sich in der Eröffnungsphase weitet, sind die Abstände zwischen den Wellen anfangs noch länger. Die Pausen werden jedoch immer kürzer, je näher der Zeitpunkt der eigentlichen Geburt rückt. Eine Pause von nur fünf Minuten bietet dann die kostbare Möglichkeit, mithilfe der erlernten Entspannungstechnik Kraft zu sammeln, bei sich zu sein, zu spüren, was gerade geschieht und den Kontakt zu dem Kind zu behalten. Deshalb ergibt es Sinn, anstelle langer Entspannungsphasen im Unterricht auch zeitlich kurze Angebote zu machen.

Achtsamkeit auf den Atem richten

Neben den schon erwähnten unterschiedlichen Rollen, die der Atem in der Geburtsvorbereitung spielt, ist es sinnvoll, dass die Frauen ihren Atem in seinen individuellen Besonderheiten erst einmal kennenlernen. Das Beobachten des Atems, das achtsame Verfolgen jedes Atemzugs hilft Ihnen dabei.

  • Dies kann im Sitzen zwischen zwei Übungen geschehen.
  • Es kann genauso in einer Bewegung wahrgenommen werden.
  • Und sogar im Alltag aufgegriffen werden.

Diese zu erkennen und Alternativen zur Verfügung zu haben, präsent zu sein beim Atem und beobachten, wie er geschieht, eröffnet den Frauen einen Zugang zu dem der jeweiligen Situation der Geburt angemessenen Atem. Das bedeutet einen Zuwachs an Kompetenz, um ihn unter der Geburt gleichmäßiger und leichter führen zu können.

Achtsamkeit durch Meditation

Neben den bereits erwähnten Mitteln des Yoga, die wir in unseren geburtsvorbereitenden Unterricht einsetzen, können Meditationen eine weitere Bereicherung sein.

Die Vielfalt an Meditationsthemen ist groß; in unserem Unterricht ist also Kreativität gefordert.

Ratsam ist zunächst einmal, die meditativen Perioden anfänglich kurz zu gestalten, um die Frauen behutsam in die Meditation einzuführen. Gespräche über Erfahrungen oder Schwierigkeiten dabei sind besonders wichtig, damit die Frauen verstehen, was Meditation bedeutet und dass ein unsteter Geist normal ist und Ablenkung leicht geschieht.

Besondere Aspekte positiver Ausrichtung und unterstützender Ideen lassen sich durch eine angeleitete Meditation thematisieren. So können die Frauen sich etwa auf das Gefühl von Vertrauen – alles wird gut – sammeln oder mit Affirmationen – Ich schaffe das; ich fühle mich kraftvoll – arbeiten.

Solche Übungen der Geburtsvorbereitung helfen Ihnen in der Stille in eine positive Gestimmtheit zu kommen, anstatt Ängsten und Sorgen Raum zu lassen. Auch kann die bereits erwähnte Körpermeditation Yoga Nidrā etwa beim Einatmen verbunden werden mit der Vorstellung eines wärmenden, angenehmen Licht-Einströmens, das Kraft und Energie zum Kind oder zur Mutter selbst bringt.

Ist der Atem an sich Fokus für eine Meditation, lässt er sich unter verschiedenen Aspekten benutzen, so z. B.:

  • der Ort, an dem der Atem gut zu spüren ist
  • jeder Ausatem wird achtsam begleitet
  • der Ausatem wird mit einer mental getönten Silbe verbunden

Achtsamkeit im Kontakt zum Kind

Eine weitere, äußerst bedeutende Möglichkeit, Ausrichtung und Achtsamkeit als Geburtsvorbereitung zu lehren, ist das Hinspüren-Lernen der werdenden Mütter zum ungeborenen Kind.

Nicht alle Frauen finden spontan den Zugang zum Erspüren des Kindes.

Sehr hilfreich sind hier Vorschläge wie:

  • alles andere außen vor lassen
  • ganz zugewandt und uneingeschränkt beim Kind sein
  • in einen inneren Dialog mit dem Kind gehen
  • lauschen
  • spüren
  • Gedanken von Zuversicht und Vertrauen dort hinströmen lassen …

Liegen dabei die Hände auf dem Bauch, können die Frauen die Bewegungen des Kindes spüren – und bekommen oft Reaktionen des Kindes darauf. Manches Mal ist es in dieser Zeit der Stille im Kurs das erste Mal, dass Frauen in der frühen Schwangerschaft die Bewegungen des Kindes als solche sicher identifizieren können. Ein solches Richten der Achtsamkeit schafft zudem einen innigen Kontakt zwischen Mutter und Kind. Und dieser ist wiederum ein wichtiges Element für die Geburt. Hebammen können davon berichten: Unter der Geburt ist das Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind entscheidend, denn es sind beide, die gemeinsam die so wichtige Aufgabe zu bewältigen haben.

Der Beckenboden – aktiv und entspannt

Der Beckenboden ist während der Schwangerschaft und natürlich besonders unter der Geburt extremen Belastungen ausgesetzt, die ganz unterschiedlicher Art sind: Er trägt und er hält. Als komplexe Muskelgruppe trägt der Beckenboden nicht nur die inneren Organe, sondern muss auch einen Halt geben für die wachsende Gebärmutter, das Kind und die Plazenta.

Den zunehmenden Druck auf die Beckenbodenmuskeln spüren manche Frauen früher oder später deutlich und manches Mal als sehr belastend. Zudem entfalten in der Schwangerschaft dort besondere Hormone, sogenannte Relaxine, ihre Wirkung, die Bänder, Bindegewebe und Muskeln geschmeidiger machen. Auch das stark erhöhte Progesteron senkt den Spannungszustand der glatten Muskulatur des Beckenbodens. Dadurch können Verletzungen der Muskeln und Bänder während der Geburt verhindert werden.

Die negative Folge: Etwa jede dritte Schwangere verliert dadurch bei zunehmendem Bauchinnendruck unwillkürlich Urin. Gespräche über Beckenboden, Erklärungen dazu und Übungen damit sind meist mit Unsicherheiten und, auch heute noch, mit Schamgefühl verbunden. Dass viele Frauen in der Schwangerschaft etwa mit dem Thema Inkontinenz zu tun haben, wird selten erwähnt. Umso wichtiger ist es, dieses Thema in einen Kurs, der die Geburtsvorbereitung im Auge hat, einzubeziehen. Nur so lässt sich jungen Frauen eine Möglichkeit in Aussicht stellen, durch ihr eigenes Handeln Komplikationen entgegenzuwirken.

Die Bedeutung einer Rückbildung nach der Geburt zu erklären, gehört dazu. Noch immer wird beim Thema Beckenbodenarbeit in der Schwangerschaft kontrovers diskutiert, ob ein trainierter, straffer Beckenboden die Arbeit der Geburt erleichtert oder erschwert. Wird durch sanfte Kontraktionen und bewusstes Entspannen der Beckenboden-Muskulatur eine Sensibilisierung für diesen Bereich angestrebt, können die Frauen ein Gefühl für diesen Körperbereich entwickeln und haben die Möglichkeit, dieses Gefühl unter der Geburt auch aktiv einzusetzen.

Das Aufklären über Funktion und Wirkweise des Beckenbodens, die Bewusstmachung durch Ertasten, Spüren und Ansteuern – das Lenken der Aufmerksamkeit dorthin, tragen weiter dazu bei. Die positive Wirkung einer solchen Arbeit ist durch viele Studien belegt:

  • die Erhöhung der Sensibilität für den Beckenboden erleichtert und verkürzt die zweite Hälfte der Geburt
  • schwere Geburtsverletzungen werden weniger und einer Inkontinenz als Folge von Schwangerschaft und Geburt wird vorgebeugt

Diese Arbeit unterscheidet sich grundsätzlich von einem Training zur Kräftigung des Beckenbodens. Dort geht es um die Wiederherstellung der normalen Beckenboden-Funktionen nach maximaler Dehnung und möglichen Verletzungen des Gewebes unter der Geburt. Sie ist also nach der Geburt von Bedeutung. Die Arbeit mit dem Beckenboden während der Geburtsvorbereitung mit Yoga schafft dafür allerdings schon die besten Voraussetzungen.

Ansage für eine Atemübung mit tiefer Bauchatmung

Verschiedene Positionen sind möglich: Liegen, auf dem Hocker sitzend oder wie hier vorgeschlagen Sitz auf dem Boden (Abb. 2).

Abb. 2

Die Ansage

„Begebt Euch in eine entspannte Sitzposition am Boden, vielleicht sogar angelehnt an die Wand, unterstützt mit Kissen; die Fußsohlen liegen aneinander, die Knie fallen nach außen – nehmt Euch etwas Zeit, um in dieser Position anzukommen, möglichst alle unnötigen Spannungen abzugeben und kommt so in einen Zustand des Ausgerichtet-Seins auf Euch selbst – lasst Euch nieder, tragen, stützen. So könnt Ihr in Kontakt mit dem Kind gehen und es aufmerksam spüren. Um den Atem als Bewegung im Bauch zu spüren, könnt Ihr die Hände auf die Bauchdecke legen.“

Nach einigen Momenten des Verweilens

„Richtet die Aufmerksamkeit auf den Atem, spürt ihn, nehmt ihn als Bewegung wahr als ein Kommen und Gehen. Ein leises Summen beim Ausatmen zu Beginn der Atemübung stimmt Euch darauf ein, den Atem zu führen, ihm eine bequeme Länge zu geben. Wenn Ihr diese gefunden habt, könnt Ihr beginnen, den Ein-Atem sanft in den Bauch strömen zu lassen, ohne Anstrengung.
Ein Fokus kann dabei auch sein, dass der Atem zum Kind strömt. Oder Ihr stellt Euch vor, dass der Atem sich wie eine schützende Hülle um das Kind legt. Der Atem wiegt und schaukelt das Kind. Das Kind bekommt eine sanfte Massage durch den Atem. Nach einigen Atemzügen lasst Ihr den Atem frei, bleibt aber aufmerksam bei ihm. Nun beginnt Ihr, beim Ausatmen ein maa zu tönen, laut und gleichmäßig, den Einatem lasst Ihr wieder zum Kind tief in den Bauch strömen.

Etwa eine Minute lang.

So bleibt Ihr für einige Atemzüge: Ein zum Kind, bei Aus tönt Ihr maa. Ihr lasst den Atem dann wieder frei und spürt ihn, bleibt in der Sammlung. In der letzten Runde verlängert Ihr das Tönen, indem Ihr zwei Silben, maamoo, tönt, verbunden, wie vorher auch, mit dem vertieften Einatem in den Bauch, zum Kind hin. Achtet darauf, dass der Atem möglichst gleichmäßig bleibt, und sich angenehm anfühlt. Fühlt Euch frei, jederzeit zwischenzuatmen, ein bis drei Atemzüge, und dann steigt wieder neu in den Ablauf ein. Findet Euren eigenen, ganz persönlichen Atemrhythmus.“

Diese Anleitung wird über drei Runden ausgeführt; eine Runde dauert ungefähr so lang wie eine Wehe: ca. sechzig Sekunden. So bekommen die Frauen ein Maß für die Länge der Wehen. Mögliche Silben sind: maa, maahaa, mahaam, momaa, aaham … nach etwa einer Minute lautet die Ansage:

„Tönt noch zweimal laut und kräftig. Schließlich beendet Ihr die Atemübung, spürt noch einige Momente zum Atem, dann einige Atemzüge zum Kind.“

Die Pausen zwischen den Runden bieten Raum, um sich sinken zu lassen, zum Kind zu spüren oder den Atem wahrzunehmen. Nachgefragt wird, ob der Atem im Bauch gut zu spüren ist; dies regt einen Austausch in der Gruppe an und lässt Raum für Fragen und Probleme.

Kontraindizierte Übungen und wie sie ersetzt werden können

Für Übungen aus der Bauchlage, wie bhujaṅgāsana (Abb. 3) oder śalabhāsana (Abb. 4) kommen als Alternativen jeweils angepasste Varianten von cakravākāsana (Abb. 5), dvipāda pīṭham (Abb. 6), Varianten von vīrabhadrāsana (Abb. 7 und 8) oder ūrdhva mukhaśvānāsana (Abb. 9) im Stütz vom Hocker, infrage.

Abb. 3
Abb. 4

Alternativen:

Abb. 5
Abb. 6
Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9

Positionen, die den Bauch anspannen und den Innendruck im Bauchraum erhöhen, wie uttānāsana (Abb. 10), paścimatānāsana (Abb. 11) oder utkatāsana (Abb. 12), können als Variante von uttānāsana vom Hocker (Abb. 13), oder auch mit prasārita pāda uttānāsana (Abb. 14), jānuśīrṣāsana (Abb. 15) oder utkatāsana, allerdings erst ab der 38. Woche, mit breit gestellten und ausgedrehten Füßen, geübt werden (Abb. 16).

Abb. 10

Abb. 11

Abb. 12

Alternativen:

Abb. 13
Abb. 14
Abb. 15
Abb. 16

Die folgenden Āsana sollten hingegen gar nicht geübt werden: navāsana (Abb. 17) und ūrdhva prasṛta pādāsana (Abb. 18).

Abb. 17
Abb. 18

Ebenso Drehungen wie jaṭhara parivṛtti (Abb. 19), ardha matsyendrāsana (Abb. 20) und utthita trikoṇāsana (Abb. 21).

Abb. 19

Abb. 20
Abb. 21

Sowie alle Umkehrpositionen (Abb. 22 - 24).

Abb. 22

Abb. 23

Abb. 24

Ein Kurs – Zwei Schwangere

Kurs 1

Der Kurs (Abb. 25) zeigt, wie sich eine fitte und beschwerdelose Schwangere, die sich gern bewegt, im Kurs in der 22. Schwangerschaftswoche auf die Geburt vorbereitet.

Kräftige, dynamisch ausgeführte Rückbeugen im Stand (5, 7) machen einen wichtigen Teil des Programms aus; entsprechend dem noch geringen Bauchumfang in dieser Schwangerschaftsphase sind noch viele Übungen aus dem Vierfüßlerstand möglich, wenn die Knie breit genug aufgestellt werden, um keinen Druck auf den Bauch auszuüben. (3, 8, 11).

Die Arbeit mit dem Atem als wichtigste Geburtsvorbereitung beginnt hier schon mit dem Erproben und Erlernen des Tönens (1, 3, 7, 9, 11), eingebaut in verschiedene Übungen sowie fokussiert in der Übung 9 im Sinne einer Ausatemverlängerung, hier unterstützt durch das Anlehnen an eine Wand und Unterlegung der Knie mit einem Kissen.

Die Rückenlage ist für diese Übende noch bequem möglich, die Knie sind leicht unterstützt. Nach dem längeren Liegen wird mit der Übung 11 für einen guten Übergang zum Sitzen (12) gesorgt, da Schwangere häufig mit Kreislaufproblemen zu tun haben.

Übungen zur Geburtsvorbereitung sehen für jede Schwangere besonders aus – je nach dem Stand der Schwangerschaft und den jeweiligen persönlichen Umständen und Bedürfnissen entsprechend.

Abb. 25

Kurs 2

Dieser Kurs (Abb. 26) zeigt den gleichen geburtsvorbereitenden Übungsablauf wie Kurs 1 (Abb. 3 – mit den gleichen Anweisungen zum Atmen, Tönen und Ausrichten), variiert aber für eine Schwangere im gleichen Kurs, die in der 35. Schwangerschaftswoche ist.

Sie ist kurzatmig und leidet an Schmerzen im Kreuzbeinbereich, wenn sie einen asymmetrischen Stand einnimmt. Doch muss diese Schwangere deswegen nicht auf wichtige geburtsvorbereitende Impulse verzichten: Die Übung 7 wurde durch eine symmetrische Rückbeuge ersetzt. Da das Gewicht des mittlerweile schweren Bauches zusätzlich eine größere Belastung für Rücken, Beine und Knie darstellt, wurde den Übungen zum Hocker der Vorzug vor den freien Vorwärtsbeugen gegeben; die Anforderungen an Vor- und Rückwärtsbeugen (3,5,7,8) wurden also angepasst.

Auf diese Weise bleibt die Frau weiterhin in Bewegung und kräftigt Rücken und Beine. Die Frau wird dazu ermuntert, viele Pausen zu machen und zwischenzuatmen, da die Kurzatmigkeit mit der Zunahme des Bauchumfangs ebenfalls mehr und mehr zum Thema geworden ist. Auch hier ist der Hocker als Sitzposition eine gute Wahl.

Tönen und langes Ausatmen sowie das Einatmen zum Kind hin spielen jetzt mehr und mehr ihre bedeutende Rolle. Die Entspannung wird nun in Seitenlage besser erreicht (10); diese Position berücksichtigt sowohl mögliche Rückenschmerzen, wie sie in der Spätschwangerschaft oft auftreten, wie auch eine mögliche Übelkeit, die durch den Druck des Kindes auf die große Hohlvene verursacht werden kann – Vena Cava-Syndrom.

Das Ende des Kurses beschließt die Teilnehmerin wie alle anderen im Sitzen am Boden, auf einem Kissen oder einem Bänkchen.

Abb. 26

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