Alte Menschen fordern von der Yogalehrerin Flexibilität
Normalerweise steht die Praxis eines Prāṇāyāma am Ende einer Unterrichtsstunde. Wenn ich den Schwerpunkt auf das Prāṇāyāma lege, biete ich die Atemübungen dennoch oft in der Mitte der Stunde an. Nach meiner Erfahrung lässt die Aufmerksamkeit häufig im letzten Viertel nach, die Konzentration auf den Atem wird dann leicht zu einer Überforderung. Lieber beende ich deshalb die Stunde mit Tönen, verbunden mit Armbewegungen.
Immer wieder merke ich, wie wichtig sowohl eine genau formulierte Anleitung eines Āsana oder einer Atemübung als auch eine deutliche Aussprache in der richtigen Lautstärke ist. Letzteres im Besonderen, weil im Alter das Gehör deutlich nachlässt und auch drei meiner Teilnehmerinnen nicht mehr gut hören.
Die einzelnen Schritte eines Āsana zu beschreiben bedeutet natürlich viele Worte, die gehört, verstanden, behalten und in die Praxis umgesetzt werden müssen. Ich wiederhole den Vorgang immer wieder, lasse es aber auch gut sein, wenn die Reihenfolge einmal durcheinander kommt.
Wenn ich den Eindruck habe, dass die einzelnen Schritte als zu umständlich weggelassen werden (in einem Atemzug werden z. B. gleich alle Schritte ausgeführt), stelle ich mich daneben und gebe die Abfolge genau vor. Ebenso fällt es meinen Seniorinnen häufig schwer, mein Demonstrieren oder Erläutern eines Āsana abzuwarten und nicht gleich mitzumachen.
Genauso schwerfällt ihnen jedoch das simultane Mitmachen, das Zuhören und dann das Koordinieren der Bewegungen mit dem Atem.
Deswegen fange ich mit ganz einfachen Armbewegungen, meist mit einem Arm, an und entwickle dann Schritt für Schritt den gesamten Ablauf. Aber gerade diese Anforderungen an die Koordination werden schließlich bewältigt, sind ungemein effektiv und verbessern die Bewegungsmöglichkeiten, das Körpergefühl und die Konzentrationsfähigkeit außerordentlich.
Yoga für alte Menschen wäre ohne Alternativen und Variationen nicht möglich. Oft sind sie auch die einzige Möglichkeit, ein Āsana immer wieder so anzupassen, ohne das dahinter stehende Konzept aufzugeben, damit die Kursteilnehmerinnen davon profitieren. Manchmal wird eine Übung dadurch für den Anfang auch etwas leichter ausführbar. Zum anderen sind Variationen ein Mittel, die Yogastunde zu beleben.
Durch ein solches Vorgehen können ursprünglich benutzte Hilfen, wie Hocker und Decken, von einigen inzwischen weggelassen werden. Viele kleine Pausen waren anfangs nötig, um sich nach dem Āsana auszuruhen und mehr noch, um in eine gewohnte Haltung, meistens das Sitzen, zurückzukommen. Um diesen Zeitraum aber nicht durch einfaches Stehen, Liegen oder Sitzen auszufüllen, lasse ich oft die vorangegangene Übung oder ihre Schwierigkeiten und deren Ort reflektieren. Ebenso stelle ich in der Pause zwischen den Āsana das nächste Āsana vor, wobei ich darauf achte, nicht zu viele Worte zu verwenden. Eine andere Möglichkeit, den Körper sich ausruhen zu lassen, den Geist jedoch wachzuhalten, sind kleine Übungen der Finger oder Hände. Allerdings wird nicht jede Pause so gefüllt, sich hinzulegen hat auch etwas wunderbar Ausruhendes.