Sich zurückziehen, um bei sich selbst zu sein
Übertragen auf den Yoga heißt dies: Zwei grundsätzliche Ausrichtungen sind möglich.
- Einerseits nach außen. Das entspricht einer Art zu leben wie ein Fluss, den die Strömung immer nur in eine Richtung fließen lässt.
- Die andere besteht darin, das Wasser des Flusses zurückzuhalten, damit es sich nach innen ergießt – zu uns selbst hin.
Wenn wir vom Außen angezogen werden, identifizieren wir uns damit. Wir verwechseln es mit unserem Zentrum und der Yoga glaubt, dass wir dadurch verhindern, zu erkennen, wer wir sind.
Hier und an diesem Tag heute machen wir auf einem Symposium gerade gemeinsam eine schöne Erfahrung. Morgen werde ich aber ganz wo anderes sein, unter anderen Menschen, in einer anderen Umgebung, mit ganz anderen Aufgaben.
Es kann leicht passieren, dass ich die Situation hier, die Erfahrungen, die Aufgaben, die sich hier ergeben, auf eine solche Weise mit mir trage, dass ich keine Hand frei habe, nach einer neuen Erfahrung zu greifen.
Ich finde dann keine Klarheit darüber, wo genau ich mich befinde. Wenn ich mich aber nach der heutigen Erfahrung für eine Zeit zurückziehe, nur bei mir selbst bin, kann ich mich so frei von ihr machen, dass ich offen werde für die folgende Erfahrung und dort ganz und gar präsent bin.
Im Yoga gibt es die Idee, sich für eine bestimmte Zeit von der äußeren Welt zurückzuziehen. Ich tue dies aber nicht um meiner selbst willen, sondern um für mich meinen eigenen Platz zu finden und völlig bei dem zu sein, was kommen wird.
Ich muss also zunächst einen Schritt rückwärts machen, um etwas Abstand zu bekommen. Dann kann ich den nächsten Schritt vorwärts tun, und mich mit etwas Neuem verbinden.
In Indien verlangen einige bedeutsame Tempel sehr hohe Eintrittsgelder und außerdem muss man einen Platz sehr lange im Voraus reservieren. Manche wichtige Leute gehen gerne dorthin. Wenn sie sich dort begegnen, sind sie nur zur Hälfte wirklich dort im Tempel. Manchmal begleite ich meine Familie dorthin und habe bei dieser Gelegenheit Leute im Allerheiligsten von Geschäften reden hören, nur weil zufällig ihr Geschäftspartner neben ihnen kniete. Im Büro haben dieselben Leute noch ständig davon gesprochen, dass sie diesen bedeutungsvollen Tempel aufsuchen würden. Wenn sie sich nur ein wenig in sich selbst zurückgezogen hätten, wären all ihre Anstrengungen, die sie unternommen haben, um einen Platz im Tempel zu erhalten und dort Segnungen zu empfangen, belohnt worden.
Hier noch eine Geschichte aus der heutigen Zeit.
Ein Mann, der sich in Schwierigkeiten befand, betete zu Gott, um einen Rat von ihm zu erhalten. Der Herr erschien ihm im Traum und sagte: „Sei an einem bestimmten Ort um 18.30 Uhr.“ Ich werde dort sein und Dir Ratschläge erteilen!“.
Der Mann begab sich nun zu dem angegebenen Ort; aber um 18.25 Uhr klingelte sein Handy. Er begann ein Gespräch mit dem Anrufer und als er wieder auf seine Uhr sah, war es 18.40 Uhr. Er sah sich um, aber Gott war abwesend. Also sagte er sich „Wie dumm bin ich nur. Es war doch ein Traum. Ich hätte ihn nicht für wahr nehmen sollen.“
Die Moral von der Geschichte: Es reicht nicht aus, in den Tempel zu gehen. Man muss dabei auch sein Handy ausschalten, sich loslösen von allem, wofür es steht, um wirklich aufnahmebereit zu sein, für alles, was es dort zu empfangen gibt.